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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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lächerlich«, warnte John.
    »Das ist etwas, was mir nicht halb soviel ausmacht wie dir«, gab sie zurück, leiser als zuvor, aber überaus heftig.
    Entschlossen packte er sie am Arm und zog sie mit sich fort. »Du nimmst dich jetzt zusammen!« herrschte er sie an.
    Sie entwand ihm ihren Arm und trat einen Schritt zurück. Sie spürte, wie bleich sie geworden sein mußte.
    »Hör doch endlich auf, mir und dir und allen anderen etwas vorzuspielen!«
    Ringsum verstummten die Leute und hörten interessiert zu.
    »Du liebst Victoria nicht! Du kannst diese hirnlose, kleine Person gar nicht lieben! Sie ist doch unfähig, sich einen eigenständigen Gedanken zu machen. Alles, was sie kann, ist, sich herauszuputzen, mit den Wimpern zu klimpern und ›Ja, John‹ und ›Nein, John‹ zu sagen. Hast du nicht manchmal Angst, daß du selber verblödest, wenn du den Rest deines Lebens mit einer Frau verbringst, die nicht bis drei zählen kann?«
    Er war jetzt mindestens so wütend wie sie, und sie konnte sehen, daß er sich mit äußerster Anstrengung beherrschte, nicht handgreiflich zu werden. Seine Lippen waren weiß und schmal, seine Haut fahl.
    »Ich verbiete dir, so über Victoria zu sprechen. Ein für allemal. Sie ist meine Frau. Sie ist deine Schwester. Mit deinen Hetzreden diskreditierst du dich in erster Linie selber. Du hast nicht das mindeste Recht, sie in dieser Weise abzuurteilen, und ich warne dich wirklich, tu es nicht noch einmal!«
    Frances hatte John noch nie so zornig. erlebt, und eine innere Stimme sagte ihr, es sei besser, den Mund zu halten; aber sie wollte ihm nicht den Eindruck vermitteln, er könne sie einschüchtern.
    »Sie ist doch eine von den Frauen, die andere für sich die Kastanien aus dem Feuer holen lassen«, fuhr sie verächtlich fort. »Während sie sich mit neuen Kleidern eingedeckt, vor dem Spiegel ihren Augenaufschlag geübt und sich eine der besten Partien der nördlichen Grafschaften geangelt hat, habe ich im Gefängnis gesessen und für das Frauenstimmrecht gestritten, was immerhin auch ein Kampf für sie als Frau war!«
    »Vielleicht ist sie gar nicht so scharf auf das Stimmrecht, also versuche bloß nicht, die große Wohltäterin zu spielen. Der Kampf, den du geführt hast, war ausschließlich deine Sache. Niemand hat das von dir verlangt, niemand hat dich gedrängt. Jetzt bade nicht im Selbstmitleid, weil die Konsequenzen härter ausgefallen sind, als du dachtest. Und verlange vor allem nicht, vom Schicksal für deine Opfer belohnt zu werden oder eine Art Wiedergutmachung zu erhalten. So funktioniert das im Leben nicht!«
    Mit dem Wort »Selbstmitleid« hatte er sie getroffen, sie jäh von der Insel des Zorns und der Unbeherrschtheit zurückgeholt. Selbstmitleid hatte sie immer verachtet — war sie nun wirklich selbst davon gepackt?
    Plötzlich verließ sie alle Kraft. Schlaff hingen ihre Arme herab, sie fühlte sich nicht mehr wütend, nur noch elend und ausgelaugt.
    »Ach, John«, sagte sie leise.
    »Ich muß gehen«, erwiderte John, »ich bin schon zu lange unterwegs. Wie kommst du nach Hause? Soll ich dir einen Wagen heranwinken?«
    »Ich nehme die Straßenbahn. Aber geh nur, ich bleibe noch ein wenig.«
    Er zögerte. »Wenn du meinst...«
    »Sicher. Ich will noch ein bißchen spazierengehen.«
    »Na gut. Also — leb wohl, Frances. Wir werden uns lange nicht sehen.«
    »Leb wohl. Paß auf dich auf.«
    John nickte. Er ergriff Frances’ Hand und zog sie für einen Moment an seine Lippen, dann ging er davon, mit schnellen Schritten, die immer leichter zu werden schienen, je weiter er sich von Frances entfernte.

    »Du weißt, dein Vater und ich sind sehr traurig über den Bruch innerhalb unserer Familie«, schrieb Maureen. Ihre vertraute, flüssige Schrift auf dem weißen Briefbogen berührte Frances schmerzlich. So lange hatte sie nichts gehört von ihrer Mutter!
    »Dennoch hast du, denke ich, das Recht, alles zu erfahren über Veränderungen, die sich bei uns zutragen. Eine erfreuliche Neuigkeit möchte ich dir deshalb heute mitteilen: Im Dezember wirst du eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder bekommen.«
    Frances ließ den Brief sinken. »Das gibt es doch nicht!« sagte sie laut.
    Alice, die in der kleinen Küche auf dem Herd irgend etwas Undefinierbares zu kochen versuchte, fragte: »Schlechte Nachrichten? «
    »Nicht eigentlich, nein. Meine Mutter erwartet wieder ein Kind.«
    »Oh«, sagte Alice, »wohl ein letzter Versuch, neben der lieben Victoria einen weiteren

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