Das Haus Der Schwestern
fremd in den Ohren klang, gesagt: »Marjorie! Was tust du denn hier?«
»Und was tun Sie? « fragte Marjorie.
»Hallo, Marjorie«, sagte John.
»Ich habe gefragt, was du hier tust«, fauchte Frances.
Marjorie drehte sich wortlos um und rannte davon. Ihre nackten Füße patschten auf die Steinfliesen im Flur. Dann fiel die Haustür krachend ins Schloß. Frances wollte ihr nachlaufen, aber John hielt sie am Arm fest.
»Nicht. Wenn du ihr jetzt eine Szene machst, bauschst du alles nur unnötig auf.«
»Da gibt es gar nichts mehr aufzubauschen. Sie weiß alles.«
»Sie weiß nicht, was früher war.«
»Bist du sicher? Vielleicht steht sie schon eine halbe Ewigkeit dort an der Tür! «
»Du mußt jetzt Ruhe bewahren, Frances. Alles andere macht die Sache nur noch schlimmer.« Er ließ ihren Arm los.
Frances strich sich mit allen zehn Fingern die Haare aus der Stirn. »Wie kannst du nur so gelassen sein? Stell dir vor, sie erzählt Marguerite, was sie hier erlebt hat? «
Er zuckte die Schultern. »Dann müssen Marguerite und ich sehen, wie wir mit der Situation fertig werden. Auf jeden Fall werde ich nicht hinter einem dreizehnjährigen Mädchen herlaufen und es anflehen, nur ja den Mund zu halten.«
Sie wußte, daß er recht hatte, und doch fand sie keine Ruhe, konnte sich nicht von dem Gefühl befreien, daß etwas Schlimmes auf sie zukam. Nachdem John gegangen war, beschäftigte sie sich weiterhin mit den Vorbereitungen für das Abendessen, aber sie merkte, wie nervös sie war; ständig fiel ihr irgend etwas aus den Händen, und die einfachsten Verrichtungen mißlangen. Immer wieder hob sie lauschend den Kopf, hoffte, daß Marjorie zurückkehrte, ehe die anderen eintrafen. Vielleicht hätte sie wenigstens herausfinden können, was das Mädchen vorhatte.
Die Schwüle war inzwischen fast unerträglich geworden. Dicke, blauschwarze Wolken ballten sich am Himmel und verdunkelten ihn so stark, daß Frances die Lichter im Haus anschalten mußte. Das drohende Unwetter schien ihr ein böses Omen zu sein. Als sie endlich die Haustür aufgehen hörte, rief sie hoffnungsvoll: »Marjorie?« Aber nur Laura schob sich in die Küche.
»Ich bin es«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wo Marjorie ist. Sie ging vorhin ins Haus, und seither habe ich sie nicht mehr gesehen.« Sie trat näher. »Gibt es bald etwas zu essen?«
»In einer Stunde. Hör mal, wenn du Marjorie noch siehst, dann schicke sie bitte zu mir, ja?«
Eine halbe Stunde später traf Adeline ein, schweißüberströmt, denn von der Bushaltestelle aus war sie zu Fuß gegangen, und die Hitze hatte sie völlig ausgelaugt. Kurz darauf fuhr Victoria vor, im selben Moment, da die ersten Regentropfen schwer herabfielen.
»O Gott, was war das für ein Tag!« sagte sie. »Man dachte ja, man kann nicht atmen vor Hitze!«
»Da bricht gleich ein Donnerwetter herein«, prophezeite Adeline.
»Hast du Marguerite nicht mitgebracht?« fragte Frances.
»Ich habe sie in Leigh’s Dale vor dem Wirtshaus abgesetzt. Ich habe sie eingeladen zum Essen, aber sie wollte nicht. Sie schien ziemlich erledigt.«
Ja, weil sie schwanger ist, dachte Frances giftig, und zwar von deinem Ex-Mann, du argloses Dummchen!
Victoria spähte in die Töpfe. »Was gibt es denn?«
»Kartoffeln und Gemüse. Du kannst schon den Tisch decken. Hast du draußen irgendwo Marjorie gesehen?«
»Nein. Ist sie nicht im Haus?«
»Nein. Aber wir fangen trotzdem mit dem Essen an. Wenn sie zu spät kommt, kriegt sie eben nichts mehr.«
Als sie im Eßzimmer Platz nahmen, krachte der erste Donnerschlag. Blitze zuckten über den Himmel. Der Regen rauschte jenseits der Fenster wie eine Wand herunter. Laura machte ein Gesicht wie ein verängstigtes Kaninchen.
»Wo mag nur Marjorie sein? Hoffentlich geschieht ihr nichts, wenn sie noch draußen ist! «
»Sie wird sich irgendwo unterstellen«, beruhigte Frances.
»Wann hast du sie denn zuletzt gesehen, Laura? « fragte Adeline.
»Wir kamen von den Pferden und wollten in den Garten gehen. Das war am späteren Nachmittag, glaube ich. Als wir über den Hof liefen, sagte Marjorie plötzlich: ›Da steht ja das Auto von Mr. Leigh!‹ Und schon schoß sie ins Haus. Ich bin dann allein in den Garten gegangen, weil ich dachte, sie kommt sicher gleich nach; vielleicht will sie nur Mr. Leigh etwas fragen oder so. Aber sie ist dann nicht mehr aufgetaucht.«
Victoria war zusammengezuckt und hatte den Bissen, den sie gerade in den Mund stecken wollte, wieder auf den Teller
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