Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
Mensch, bei dem er sein konnte, wie er wollte, ohne sich Vorwürfe anhören zu müssen. Die Frage, ob du ihm damit eigentlich einen Gefallen tust, hast du dir nie gestellt.
    Ihre abweisende, unnahbare Haltung brach in sich zusammen. Sie hatte ihm keinen Funken Gefühl zeigen wollen, aber plötzlich hatte ihr Stolz lahme Beine bekommen, hinkte irgendwo weit hinter ihr her.
    »Du liebst Marguerite sehr?« fragte sie leise.
    Er überlegte einen Moment und sagte dann: »Sie gibt meinem Leben einen Sinn.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    »In gewisser Weise schon. Ich glaube nicht, daß ich sie wirklich liebe. Nicht so, wie ich dich liebe und immer geliebt habe. Vielleicht waren sogar meine Gefühle für Victoria ganz am Anfang intensiver, als sie es heute für Marguerite sind. Aber ich denke auch nicht, daß Marguerite für mich empfindet, was sie für ihren Mann empfunden hat. Es ist eher so, daß wir ... wir brauchen einander. Wir geben uns Halt.«
    »Diesen Halt hast du bei mir offenbar nicht gefunden«, sagte Frances.
    Sie hatte noch zwei Kartoffeln zum Schälen übrig. Sie arbeitete jetzt sehr langsam. Sie hätte nicht gewußt, wohin mit ihren Händen, wohin mit ihren Blicken, wenn sie erst fertig war mit den Kartoffeln.
    »Du hast nie mein Leben geteilt«, sagte John. »Als ich dich zum erstenmal darum bat, bist du nach London abgereist und hast eine sehr eigentümliche Art von Selbstfindung betrieben. Und dann, nach meiner Trennung von Victoria, meintest du, nun sei es unmöglich, öffentlich werden zu lassen, was wir all die Jahre heimlich getan hatten. Vermutlich hattest du damit ja recht. Nur«, er strich sich müde über die Augen, »für mich bedeutete das ein Dasein in ziemlicher Einsamkeit. Vielleicht kannst du dir das nicht richtig vorstellen, weil du es nie erlebt hast. Du hattest immer Menschen um dich, Frances. Auch jetzt, trotz aller Schicksalsschläge, die deine Familie einstecken mußte, herrscht Leben in deinem Haus. Die zwei Mädchen, du, Victoria, Adeline — ihr geht einander sicher oft auf die Nerven, aber keiner ist je allein. Dieses ganze Haus hat sehr viel Wärme.«
    Er sah sich in der Küche um, betrachtete die geblümten Vorhänge an den Fenstern, den Flickenteppich auf den Steinfliesen, die Töpfe mit Kräutern auf dem Wandbord. »Es hat sehr viel Wärme«, wiederholte er.
    Sie hatte die letzte Kartoffel geschält, und wenn sie noch länger daran herumschnitzte, würde sie winzig klein werden. Sie stand auf, ging zum Spülbecken, ließ Wasser in einen Topf laufen. Dann drehte sie sich um, blieb unschlüssig gegen den Spültisch gelehnt stehen.
    »Du weißt selbst, wie das in Daleview ist«, sagte John. »Du hast dich ja nicht umsonst immer gefürchtet, dort zu leben. Diese riesigen, hohen Räume. Überall die dunkle Wandtäfelung, die alles so düster macht. Die endlosen Zimmerfluchten. Und dazwischen ich mit einem verstaubten Butler und ein paar hirnlosen Dienstmädchen, alles Menschen, mit denen mich nichts verbindet. Manchmal hatte ich wirklich den Eindruck, es nur noch mit Schnaps zu ertragen. « Er schaute Frances an. »Verstehst du mich?«
    »Ja«, sagte Frances, »ich glaube schon.«
    Sein Gesichtsausdruck wurde weich. Die Zärtlichkeit lag darin, die er immer für Frances bereitgehalten hatte, eine Zärtlichkeit, die aus jahrelanger Vertrautheit entsteht. Sein Blick umfaßte ihre ganze Gestalt.
    Was sieht er? fragte sich Frances beklommen. Eine fast fünfzigjährige Frau in einem fleckigen Kleid, die sich ihre Hände, obwohl sie längst sauber sind, ständig an der Schürze abreibt. Eine Frau mit wirren Haaren, in denen das Grau die Vorherrschaft übernommen hat. Eine Frau, deren Gesicht zu hager, zu scharf ist, um hübsch zu sein. Aber es gibt kein Gesicht, das er so genau kennt.
    »Sosehr ich dich liebe«, sagte er leise, »sosehr ich dich immer lieben werde — irgendwann wußte ich, daß sich mein Leben für die verbleibenden Jahre nicht zwischen der Leere meines Hauses und gelegentlichen Treffen mit dir in einer verlassenen Hütte abspielen konnte. Dafür bin ich zu alt.«
    »Ich weiß«, sagte Frances. Es war nicht allzulange her, da hatte sie genau das gleiche gedacht.
    »Ich wollte mehr. Ich wollte eine Frau, die mein Leben teilt. Nicht so wie Victoria, mit der ich über nichts sprechen konnte. Nicht so wie du, die du mir immer nur für wenige Stunden deine Zeit und deinen Körper schenktest und dann wieder auf und davon gingst. Ich wünschte, du wärst die

Weitere Kostenlose Bücher