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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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dir, daß du hingehst!«
    Sie selbst wäre auch am liebsten daheim geblieben, aber das hätte auf Marguerite eigenartig gewirkt. Ob John ihr von der Episode in der Küche erzählt hatte? Dann mußte sie gerade dort erscheinen. So fuhr sie gemeinsam mit Laura nach Daleview hinüber, dankbar für die Begleitung des jungen Mädchens.
    »Daß du dich nur ja nicht verplapperst wegen Peter!« sagte sie im Auto noch warnend.
    Laura reagierte gekränkt. »Ich bin nicht so einfältig, wie Sie immer denken! Erst meinen Sie, ich tratsche alles sofort an Marjorie weiter, und jetzt haben Sie Angst, ich posaune es bei der Hochzeit hinaus. Sie halten mich wohl für ein kleines Mädchen!«
    »Niemand hält dich für ein kleines Mädchen!« Frances seufzte. Laura erschien ihr zunehmend empfindlich in der letzten Zeit. »Ich sage das nur, weil ich merke, daß ich selbst sehr aufpassen muß. Peter ist... fast ein Familienmitglied geworden in der letzten Zeit, findest du nicht? Da kann es leicht geschehen, daß man unwillkürlich seinen Namen nennt.«
    Laura schien einigermaßen besänftigt. Frances — er ist doch kein Nazi, oder?« fragte sie nach ein paar Minuten des Schweigens.
    »Nein«, sagte Frances, obwohl sie selbst nicht ganz sicher war, wann jemand als Nazi zu bezeichnen war, »er ist einfach ein Soldat, der für sein Land kämpft.«
    »Und spioniert«, setzte Laura bedrückt hinzu.
    Frances sah sie an. »Das ist für mich auch ein Problem«, gab sie zu. »Es ist sehr schwierig. Er ist nett und hilfsbereit. Und — er sieht sehr gut aus, nicht?«
    Laura wurde puterrot.
    Sieh mal an, dachte Frances.
    Auf Daleview erlebte sie nun zum zweitenmal innerhalb von dreißig Jahren mit, wie John Leigh einer anderen Frau das Jawort gab. Marguerite trug ein sandfarbenes Kostüm und einen kleinen Hut mit einem Schleier vor dem Gesicht. Obwohl sie auf hohen Absätzen stand, reichte sie John nur knapp über die Schulter. Von ihrer Schwangerschaft war noch nichts zu sehen. Immer noch erinnerte sie an eine kleine, graziöse Elfe.
    John wirkte angespannt und konzentriert. Obwohl es keineswegs den Anschein hatte, als sei er rettungslos in Marguerite verliebt, behandelte er sie doch mit einem Respekt und einer Liebenswürdigkeit, von der Victoria nur hatte träumen können.
    Mit einer inneren Sicherheit, die sie selbst überraschte, dachte Frances: Es wird gutgehen zwischen den beiden. Was sie verbindet, wird halten. John tut das Richtige.
    Beim Mittagessen — es nahmen etwa zwölf Personen an der Tafel teil — fiel es Frances zum erstenmal bewußt auf, daß Laura fast nichts aß. Zwar hatte sie immer versucht, in Gesellschaft zu verbergen, daß sie alles gern in sich hineingeschlungen hätte, was nur in ihrer Reichweite stand. Aber nie hatte sie ihre Gier verhehlen können, immer hatte sie sich etwas zu tief über ihren Teller gebeugt, immer zu schnell gegessen, hatte stets etwas unkontrolliert gewirkt. Diesmal hielt sie einen fast schüchternen Abstand zu ihrem Teller, pickte in den Speisen nur herum, nahm kaum etwas zu sich. Den Nachtisch ließ sie völlig unberührt. Und Frances realisierte plötzlich, daß Laura seit Wochen nichts mehr aß, oder zumindest so wenig, daß es für ein Kind gereicht hätte. Sie war davon noch nicht sichtbar dünner geworden, aber sie sah etwas elend aus.
    Auf der Heimfahrt schnitt sie das Thema an. »Mir ist aufgefallen, daß du fast nichts mehr ißt. Fühlst du dich nicht gut in der letzten Zeit?«
    Laura kaute nervös auf ihren Fingernägeln herum. »Doch. Mir geht es gut.«
    »Aber dir schmeckt nichts mehr?«
    »Doch. Es ist nur... ich habe mir gedacht... ich bin jetzt sechzehn. Ich könnte mal anfangen, etwas dünner zu werden.«
    Die weibliche Eitelkeit erwacht allmählich, dachte Frances. Schaden kann es nicht. Vielleicht fühlt sie sich dann irgendwann wohler in ihrer Haut und läuft nicht mehr wie ein Trauerkloß herum.
    »Keine schlechte Idee«, sagte sie laut, »aber laß es langsam angehen, ja? Es ist nicht gut für den Körper, wenn er von heute auf morgen völlig auf Entzug gesetzt wird.«
    »Ich habe gar keinen Hunger mehr. Ich habe nicht mehr das Bedürfnis zu essen.«
    Trübsinnig schaute sie an sich herab: die riesigen, schweren Brüste, der vorgewölbte Bauch. Die schwammigen Oberschenkel, die unter dem leichten Stoff ihres Sonntagskleides auseinanderzufließen schienen. Die stämmigen Waden, die noch plumper wirkten durch die handgestrickten Socken und formlosen braunen Schuhe, die sie

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