Das Haus Der Schwestern
trug. Überdies waren ihre Beine mit dichten, schwarzen Haaren bedeckt.
»Es wird sehr, sehr lange dauern, bis ich schlank bin«, meinte sie traurig, »man merkt noch gar nichts!«
»Es wird dauern, Laura. Aber irgendwann hast du es geschafft. Dann kannst du sehr stolz auf dich sein.«
Laura spielte mit ihren Zöpfen herum. »Meine Haare gefallen mir auch nicht. Meinen Sie, ich kann sie mir abschneiden lassen?«
Frances musterte Lauras dickes, unschönes Gesicht. Kurze Haare würden nichts besser machen, wahrscheinlich aber auch nichts verschlimmern. Bei Laura konnte man im Grunde nichts mehr verderben.
»Du kannst natürlich tun, was du möchtest, Laura. Aber überlege es dir gut. Wenn die Haare weg sind, ist es nicht mehr zu ändern.«
»Mit den Zöpfen sehe ich aus wie ein kleines Mädchen. Ich will endlich ernst genommen werden.«
»Wir nehmen dich doch alle ernst! Aber ich kann dich verstehen, in deinem Alter hatte ich es auch unheimlich eilig, erwachsen zu werden. Später merkt man dann, daß das Leben dadurch keineswegs leichter wird.«
»Ich darf mir also die Haare abschneiden lassen?«
»Ja. Nur überschlafe es noch einmal.«
Lauras entschlossener Miene war anzusehen, daß es da nichts mehr zu überschlafen gab.
Daheim trafen sie in der Küche Adeline, Victoria und Peter an, die um den Tisch saßen und Karten spielten. Frances hatte erwartet, Victoria in Tränen aufgelöst oder in ihrem Zimmer verbarrikadiert vorzufinden. Sie war erstaunt, daß ihre Schwester Haltung bewies. Sie sah zwar sehr blaß aus, wirkte aber überraschend gefaßt.
»Da seid ihr ja wieder«, sagte sie. Ihre Stimme klang etwas rauh.
»Ja«, erwiderte Frances unbeholfen.
Es schien ihr nicht angebracht, Details von der Hochzeitsfeier zu erzählen, und so herrschte ein paar Minuten lang bedrücktes Schweigen.
Adeline fand schließlich zu einem normalen Ton zurück, indem sie erklärte: »Peter hat uns ein deutsches Kartenspiel beigebracht. Allerdings stellen Victoria und ich uns ziemlich dumm an.«
»Daß ich im Moment noch einen Vorsprung habe, ist ganz natürlich«, sagte Peter. »Falls wir noch Bridge spielen, werden Sie mich wahrscheinlich schlagen.«
»Peter möchte nämlich Bridge mit uns spielen«, erklärte Victoria. »Wir brauchen nur noch einen vierten Mann.«
Frances sah Peter interessiert an. »Sie können Bridge spielen? Das ist ... ich meine, das ist doch ein typisch englisches Spiel! «
Sehr ernst — wohl weil er wußte, es war ein heikles Thema — antwortete er: »Vergessen Sie nicht, ich wurde perfekt ausgebildet, um hier als waschechter Engländer auftreten zu können. Dabei ging es ja nicht allein um die Sprache. Der englische Alltag, das englische Schulsystem, englische Sitten und Gebräuche, Vorlieben, Eigenarten, bestimmte Denkweisen — ich habe das alles sehr intensiv lernen müssen. Kartenspiele wie Bridge gehörten da noch zu den einfachsten Übungen.«
Einen Moment lang waren sie alle ein wenig betreten. Was sollte man sagen, wenn man — wieder einmal — mit der Erkenntnis konfrontiert wurde, daß dieser nette junge Mann, der ihnen allen schon wie ein Familienmitglied vorkam, auf ausgeklügelte Weise darauf vorbereitet worden war, in England für die Deutschen zu spionieren.
Schließlich fragte Adeline: »Möchtet ihr noch etwas essen?«
Frances hob erschrocken die Hände. »Ich nicht! Ich habe auf der Feier so viel gegessen, daß ich fast platze. Laura?«
»Nein, danke.«
Adeline musterte sie mißbilligend. »Du ißt zuwenig in der letzten Zeit, mein Fräulein. Fehlt dir etwas?«
Laura schoß Frances warnende Blicke zu. Ihre Figurprobleme mochte sie natürlich nicht in Anwesenheit aller Hausbewohner diskutieren.
»Laß sie in Ruhe, Adeline«, bat Frances. »Junge Frauen essen manchmal, und manchmal essen sie nicht. Sie soll das machen, wie sie möchte.«
Adeline brummte irgend etwas vor sich hin.
»Setzen Sie sich zu uns, Laura«, sagte Peter, »und spielen Sie Bridge mit uns. Das heißt, wenn Sie mögen.«
Laura wurde wieder einmal dunkelrot und starrte ihn hingerissen an. »Ich ... nein, ich ... möchte jetzt schlafen gehen.«
"Jetzt schon?« fragte Victoria verwundert.
»Ja ... ich bin ziemlich müde!« Laura verließ beinahe fluchtartig die Küche.
»Habe ich etwas Falsches gesagt?« fragte Peter betroffen.
Du gefällst ihr einfach zu gut, dachte Frances.
»Nein«, erwiderte sie, » Mädchen in diesem Alter ... man weiß nie so recht, was in ihnen vorgeht.«
» Sie ist
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