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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nach an.
    »Ich fürchte«, sagte er, »ich bin dabei, Ihnen die größten Schwierigkeiten zu bereiten.«

    »Wir müssen schnell entscheiden, was wir tun«, sagte Frances, »denn mit jedem Tag, der vergeht, verstricken wir uns selbst tiefer in die Geschichte. Am Ende landen wir alle vor dem Richter.«
    Sie hielten eine Krisensitzung im Wohnzimmer ab. Peter schlief oben im Bett. Das Gespräch hatte ihn übermäßig angestrengt. Von einer Sekunde zur anderen war er in einen tiefen Schlaf gefallen.
    Frances hatte sich erst einmal einen doppelten Whisky genehmigt. Sie ärgerte sich.
    So ein unnötiges Problem, dachte sie. Warum mußte Laura diesen Mann finden und hierherbringen?
    Laura, die mit unglücklicher Miene am Fenster saß, schien ihre Gedanken erraten zu können. »Ich konnte ihn doch nicht einfach da liegenlassen«, murmelte sie bedrückt.
    »Natürlich nicht«, sagte Adeline sofort, »du hast ganz richtig gehandelt.«
    »Wir sind stolz auf dich«, fügte Victoria hinzu.
    »Aber wir haben ein großes Problem«, sagte Frances, »wir beherbergen hier einen Mann, der einen Mord begangen hat und nach dem vermutlich schon überall gesucht wird.«
    »Das war kein richtiger Mord«, protestierte Victoria und wiederholte, was sie schon oben an Peters Bett gesagt hatte: »Es war Notwehr!«
    »Nicht so, wie die Dinge liegen«, korrigierte Frances, »nicht unter den gegebenen Umständen. Er kommt als deutscher Spion nach England und erschießt auch noch einen englischen Bürger, um sich seiner Festnahme zu entziehen.«
    »Die Leute wollten ihn nicht festnehmen«, widersprach Victoria, »sie wollten ihn lynchen.«
    »Glaubte er.«
    »Sie haben seinen Freund doch erschossen!«
    »Victoria, das wird allen völlig gleichgültig sein. Er spioniert für die Nazis! Deshalb ist er hierhergekommen. Kein Mensch wird daran interessiert sein, mildernde Umstände für ihn geltend zu machen. Dafür ist dieser ganze Krieg zu furchtbar. Dafür sind schon zu viele Engländer gefallen. Dafür ist es zu schrecklich, was die Deutschen tun!«
    »Er ist ja auch Teil eines Systems und kann dem nicht so einfach entkommen«, meinte Victoria.
    Es war ein erstaunlicher Gedanke, wenn man bedachte, wie stetig sie sonst an der Oberfläche dahintrieb, fand Frances.
    »Ich weiß ja nicht, wie Sie das sehen«, sagte Adeline, »aber ich bringe es nicht fertig, diesen jungen Burschen da oben nun einfach an seine Henker auszuliefern. Er ist doch fast noch ein Kind!«
    »Für dich ist jeder unter sechzig ein Kind, Adeline«, meinte Frances, »dieses ›Kind‹ ist gewiß nicht naiv und unerfahren, sonst wäre es für diesen Einsatz hier bestimmt nicht ausgesucht worden.«
    »Wir päppeln ihn auf, und dann soll er verschwinden«, schlug Adeline vor, »wir stellen ihn wieder auf die Beine, aber dann muß er selber sehen, wie es weitergeht mit ihm.«
    »Aber das ist unmöglich!« protestierte Laura. »Er hat keine Papiere mehr, er kommt nicht raus aus England. Und vielleicht suchen sie ihn mit dem Bild, das sie von ihm haben. Er kann nirgendwohin gehen, wenn wir ihn wegschicken. Wie soll er denn leben?«
    »Das ist nicht unbedingt unser Problem«, meinte Frances.
    Laura und Victoria sahen sie empört an.
    »Vielleicht sollten wir die Frage vertagen, bis er wiederhergestellt ist«, schlug Adeline vor. »Dann können wir auch seine Meinung dazu einholen. Sind wir uns einig, daß wir vorläufig nichts unternehmen und niemandem etwas von ihm erzählen?«
    »Ja«, sagten Victoria und Laura wie aus einem Mund.
    »Ja«, schloß sich Frances zögernd an. Sie trank ihr Glas leer und stand auf.
    »Spätestens von jetzt an«, sagte sie, »machen wir uns mitschuldig. Euch allen muß klar sein, daß das für uns sehr schlimm ausgehen kann. Wir können im Gefängnis landen, und im schlimmsten Fall verlieren wir die Farm.«
    Laura wurde blaß.
    Während sie noch redete, dachte Frances, daß sie wohl verrückt sein mußte. Warum tat sie etwas so Wahnsinniges?
    »Wir dürfen keiner Menschenseele etwas erzählen«, fuhr sie eindringlich fort, »niemandem! Laura — nicht, daß du auf die Idee kommst, es Marjorie in einem Brief zu schreiben!«
    »Natürlich nicht!« erwiderte Laura gekränkt.
    Frances atmete tief. »Die Geschichte wird uns in irgendeiner Weise das Genick brechen «, sagte sie ahnungsvoll, und im nächsten Moment dachte sie: Ein Glück nur, daß Marjorie fort ist! Wäre sie jetzt noch hier — ich müßte mein Testament machen!

    Den ganzen September über

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