Das Haus der Sonnen
Recht«, sagte ich schließlich. »Ich bin bereit. Ich danke Ihnen für Ihre Anteilnahme, Madame Kleinfelter. Sie waren gut zu mir, und ich schlage Ihren Rat nicht leichtfertig in den Wind. Aber Ludmilla ist bereits aufgebrochen, und ich weiß, dass andere Familien ihrem Beispiel folgen wollen. Den zweiten Platz will ich mir nicht nehmen lassen. Ich werde den letzten Gedächtnisscan heute Nachmittag vornehmen lassen. Dann lasse ich mich in den leeren Reaktor einsetzen.«
»Und es gibt nichts, womit ich dich zu einem Aufschub bewegen könnte?«
»Nichts«, sagte ich. »Meine Entscheidung ist getroffen.«
»Dann wünsche ich dir viel Glück für deine Unternehmung.«
»Obwohl Sie glauben, ich würde einen furchtbaren Fehler begehen.«
»Trotzdem.«
Die Kälte des Raums drang allmählich durch meine Kleider. »Wenn die Klone – wenn wir aus den Reaktoren kommen, werden Sie uns dann begrüßen?«
»Ich glaube nicht, Abigail. Die Splitterlinge werden sich an mich erinnern, aber das heißt nicht, dass wir einander viel zu sagen hätten. Ich werde irgendwo im Haus beschäftigt sein. Es gibt noch viel zu tun.«
»Dann ist dies das letzte Mal, dass wir miteinander sprechen.«
»Das mag sein.« Madame Kleinfelter zögerte und verharrte vollkommen regungslos, und einen grausamen Moment lang meinte ich schon, sie sei entweder gestorben oder das Exoskelett habe versagt. Dann aber belebten sich ihre Züge wieder, und sie redete weiter. »Ich kenne dich schon seit fast vierzig Jahren. Das kleine Mädchen, das du einmal warst, habe ich sehr gemocht. An dem Tag, als wir den Entwicklungshemmer entfernen mussten, war ich unermesslich traurig. Aber ich weiß nicht, ob ich der Frau, zu der du dich entwickelt hast, die gleichen Gefühle entgegenbringe.«
»Danke«, sagte ich säuerlich.
»Aber jeder Mensch kann sich ändern. Wenn du aus dem Brutreaktor kommst, wirst du nicht mehr Abigail sein – wer immer du dann sein wirst. Ich nehme an, es ist dir ziemlich gleichgültig, welcher Klon du dann sein wirst – alle haben das gleiche Recht, deine Persönlichkeit für sich zu beanspruchen. Aber wenn du dich an diese Unterhaltung erinnerst, tu mir in den Jahrhunderten deines strahlenden neuen Lebens einen Gefallen, Abigail.«
»Und der wäre?«
»Sei wieder ein braves Mädchen.«
Fünfunddreißig
Das Imago flackerte und stabilisierte sich. Sein unversehrtes Auge, das blaue, war vor Übermüdung gerötet. Galgant hatte sich auf eine altmodische Beschleunigungsliege gequetscht; das Polster bauschte sich um sein Gesicht, als wollte ihn das Möbel bei lebendigem Leib verschlucken. Er war weiß gekleidet, während alle anderen noch schwarze Trauerkleidung trugen.
»In dreißig Minuten bin ich in Schussentfernung«, sagte er. »Bevor ich die Grenze überschreite: Sind wir uns wirklich sicher, dass sie es ist?«
»Das haben wir bereits geklärt«, sagte ich.
»Das war, bevor der Funkkontakt vor über einem Tag abgebrochen ist. In der Zeit könnten die Robots sie nachgeahmt haben.«
»Sie ist es«, sagte Betonie. »Davon gehen wir aus. Wenn Campion irgendwelche Zweifel gekommen wären, hätte er es gesagt.«
»Das war Portula«, sagte ich. »Sie lebt. Das bedeutet, wir halten am ursprünglichen Plan fest.«
»Trotz allem, was wir inzwischen wissen? Obwohl wir mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Robots den Sternendamm zerstören wollen? Ungeachtet Portulas ausdrücklichem Wunsch, das mit allen Mitteln zu verhindern?«, sagte Galgant.
Ich ärgerte mich über ihn, obwohl die Frage durchaus berechtigt war; ich konnte ihm keinen Vorwurf daraus machen, dass er sie stellte.
»Portula hat das getan, was jeder von uns unter diesen Umständen tun würde – sie hat das Wohl der Familie über ihr eigenes Wohlergehen gestellt«, sagte Hederich. »Das ist tapfer und selbstlos – etwas anderes hätten wir von ihr auch nicht erwartet. Das heißt allerdings nicht, dass wir ihrem Wunsch auch nachkommen müssten. Die Königin der Nacht ist schneller und besser bewaffnet als die Schiffe, die wir verloren haben, das meine eingeschlossen. Galgant hat gute Aussichten, die Silberschwingen mit einer Breitseite nachhaltig zu beschädigen. Sollte das misslingen, können wir das Schiff immer noch vernichten.«
Galgant zuckte auf seiner Polsterliege die Achseln und nickte, als wäre ihm die Angelegenheit nicht weiter wichtig. »Wie Sie wünschen, meine Damen, meine Herren. Ich bin bereit, es zu versuchen. Ich werde
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