Das Haus der Sonnen
Tagen hatte er sich unseren Wünschen gebeugt. Dank Hesperus waren die Arbeiten zu unserer Zufriedenheit abgeschlossen worden. Die Bummelant flog knapp unter Lichtgeschwindigkeit dahin.
»Ich möchte Sie nicht von Ihrer Arbeit abhalten«, sagte Hesperus. »Aber dürfte ich Ihnen eine Frage stellen, Campion?«
»Nur zu.«
»Sie betrifft unseren Gast.«
»Dank Ateshga haben wir viele Gäste.«
»Ich spreche von Doktor Meninx.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Macht er Schwierigkeiten?«
»Ich habe den Eindruck, dass Doktor Meninx nicht sonderlich erfreut über meine Anwesenheit ist. Ist diese Einschätzung zutreffend?«
Ich versuchte, seine Frage mit einem Achselzucken abzutun. »Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vorgeht.«
»Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen, er ist ein Leugner. Daran erinnere ich mich noch. Die Leugner sprechen den Maschinen die Fähigkeit ab, Gefühle zu empfinden. In ihrer extremsten Ausprägung zielen sie darauf ab, die Maschinenintelligenz in der ganzen Galaxis auszulöschen.«
»Ich glaube, ganz so weit würde Doktor Meninx nicht gehen wollen.«
»Warten wir’s ab«, murmelte Portula.
»Aber er ist doch ein Leugner, oder irre ich mich?«, sagte Hesperus.
»Ich glaube, es ist ihm nicht besonders ernst damit«, erwiderte ich ausweichend. »Die Familien treiben kaum Handel mit den Leugnern. Wenn Gromwell den Verdacht gehabt hätte, dass Meninx ein überzeugter Maschinenhasser ist, hätte er dem Doktor nicht die Teilnahme an unserer Reunion gestattet.«
»In Anbetracht seiner erzwungenen Verspätung könnte man vermuten, Doktor Meninx sei der Ansicht, dass er sich um die politische Linie der Gentianer nicht zu scheren braucht. Vielleicht lässt er seine Maske ja jetzt fallen.«
»Der Doktor hatte gewisse Bedenken, Sie an Bord zu lassen. Allerdings hatten sie weniger damit zu tun, dass Sie ein Maschinenwesen sind, als vielmehr mit dem Umstand, dass Sie ein unbeschriebenes Blatt darstellen.«
»Ich verstehe«, sagte Hesperus, als hätte er meiner Antwort weit mehr Informationen entnommen, als ich hatte preisgeben wollen.
»Das ist eigentlich keine große Sache. Sie müssen sich nicht begegnen, wenn Sie nicht wollen. Auf keinen Fall stellt er eine Bedrohung für Sie dar.«
»Davor habe ich keine Angst. Ich möchte lediglich freundschaftliche Beziehungen zu Ihrem Gast herstellen, weil ich die Hoffnung hege, ihn dazu veranlassen zu können, dass er Licht in einige bislang noch dunkle Winkel meines Gedächtnisses bringt. Portula hat mir gesagt, der Doktor sei ein Gelehrter und im Begriff, ein neues Forschungsvorhaben in Angriff zu nehmen. Das hat eine Saite in mir zum Schwingen gebracht, so als wiesen wir in der Beziehung eine Gemeinsamkeit auf.«
»Der Doktor war unterwegs zur Vigilanz«, sagte ich.
»Zur Vigilanz«, wiederholte Hesperus bedächtig. »Davon habe ich gehört, kann aber nicht mehr sagen, in welchem Zusammenhang. Was ist aus seinem Vorhaben geworden?«
»Nichts. Wenn ich ihn dort abgesetzt hätte, wäre mein Zeitplan durcheinander gekommen.« Ich lächelte gezwungen. »Sehen Sie’s doch mal so: Hätte ich Meninx nicht enttäuscht, wären wir uns nie begegnet.«
»Dann wäre ich noch immer Ateshgas Gefangener.«
»Genau.«
»Dann kann man wohl sagen, Doktor Meninx’ Pech war mein Glück. Ich würde gern mehr über die Vigilanz erfahren, Campion: Jetzt, da das Wort gefallen ist, habe ich das Gefühl, dort liegt der Schlüssel zu meinen verschütteten Erinnerungen verborgen. Ich kann es kaum erwarten, mit dem Doktor über meine missliche Lage zu sprechen.«
»Ich kann Ihnen über die Vigilanz erzählen, was Sie wissen wollen«, sagte ich. »Ich war schon mal dort. Möchten Sie einen Blick in meinen Datenspeicher werfen?«
»Sehr gern«, sagte Hesperus.
Als ich die interstellare Geschwindigkeit verringerte, sah die Vigilanz von außen betrachtet so aus, als habe man dort, wo die Milchstraße den Norma- und den Cygnus-Arm durchschneidet, ein Loch in die blässlich schimmernde Sternenwolke gemacht. Im Infraroten war dies die heißeste Stelle in einem Umkreis von tausend Lichtjahren, und sie flammte so hell wie ein Leuchtfeuer. Die vom Stern im Zentrum der Vigilanz stammenden Photonen des sichtbaren Spektrums waren in Wärme verwandelt worden und verteilten sich in alle Richtungen. Auf ihrem Weg hatten sie einen Großteil ihrer Energie an die unaufhörlichen Informationsgewinnungs- und Archivierungsaktivitäten der Vigilanz abgegeben. Der Stern war
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