Das Haus der Sonnen
Maschine.«
»Für jemanden, der nicht damit aufgewachsen ist. Bitte – ich wollte Ihnen nicht zu nahetreten.«
Er betrachtete mich mit seinen funkelnden Opalaugen. Als er andeutungsweise den Kopf neigte, leuchteten sie türkisfarben auf. »So habe ich das auch nicht aufgefasst, Splitterling. Wären Sie so freundlich, mir meine missliche Lage zu erläutern? Sie haben einen gewissen Ateshga erwähnt, und der Name ist mir nicht unbekannt, doch ich verstehe noch immer nicht, wie ich hierhergekommen bin.«
»Erinnern Sie sich denn nicht an Ihre Gefangennahme?«
»Ich erinnere mich an gewisse Einzelheiten, jedoch nicht an den Zusammenhang. Ich weiß noch, dass ich unterwegs war.« Er legte die Hand auf die Brust und versteifte die Finger. »Dann kam es in meinem Schiff bedauerlicherweise zu einem technischen Zwischenfall.«
»Den Rest kann ich mir denken. Sie haben in den Datenspeicher Ihres Schiffes geschaut und sind auf einen Raumschiffhändler gestoßen, der in diesem Sonnensystem zu Hause ist. Ateshga hat Sie in die Falle gelockt und sich dann gesagt, dass es lohnender für ihn wäre, Ihr Schiff zu stehlen, als sich mit Ihrem Geld zu begnügen.«
»Ist es Ihnen ebenso ergangen?«
»Ateshga hat nicht gemerkt, dass ihm zwei Gentianer ins Netz gegangen sind. Wir haben ihm gesagt, wenn er uns nicht freilässt, wird die ganze Familie an ihm Vergeltung üben.«
»Eine eindrucksvolle Drohung«, bemerkte Hesperus. »Wie haben Sie ihn dazu gebracht, mich freizulassen?«
»Als wir erst einmal frei waren, blieb ihm gar nichts anderes übrig: Wäre bekannt geworden, dass er ein Maschinenwesen gefangen hält, wäre er erst recht in die Bredouille geraten.«
»Wenn das so ist, stehe ich in Ihrer Schuld. Es tut mir immer noch leid, dass Sie es für notwendig hielten, eine Waffe mitzubringen.«
»Ich hatte Sorge, Sie könnten desorientiert sein.«
»Das ist verständlich. Mein Gedächtnis ist beschädigt. Dürfte ich fragen, welches Datum wir haben?«
»Sechs-null-drei-drei, vier-fünfundachtzig, Standardzeit Krabbe. Sie befinden sich im Scutum-Crux-Arm, im Nelumbium-System.«
»Dann war ich eine ganze Reihe von Jahren Ateshgas Gefangener. Das letzte Datum, an das ich mich erinnere, begann – nach Menschenzählung – mit einer Fünf.«
Ich blickte zum Käfig. Er war darin stehen geblieben, obwohl es ihm frei stand, ihn zu verlassen. »Hat Ateshga etwas mit Ihrem Gedächtnis angestellt?«
»Die Fehler, unter denen ich leide, sind charakteristisch für primitive elektromagnetische Interferenz. Offenbar hat er versucht, mir eine Art Amnesie aufzuzwingen, damit er nichts von mir zu befürchten hat, wenn er mich freilässt.« Er senkte den Blick auf den einen Arm, der etwas größer als der andere war, dann sah er wieder mich an. »Es tut mir leid, Splitterlinge. Es muss ziemlich verstörend gewesen sein, mich in dieser Lage vorzufinden. Dürfte ich erfahren, was Sie jetzt, da ich mich in Ihrer Obhut befinde, mit mir vorhaben?«
»Unsere nächste Anlaufstelle ist das Reunionssystem. Wenn die Reunion ähnlich abläuft wie die letzten beiden Zusammenkünfte, werden auch Maschinenwesen zu Gast sein. Wenn Sie möchten, bringen wir Sie zu ihnen. Sie können auch an Bord eines unserer Schiffe bleiben, so lange Sie möchten.« Ich stockte, denn ich war im Begriff, auf ein heikles Thema zu sprechen zu kommen. »Wenn Sie sich bereiterklären würden, der Reunion beizuwohnen, wäre dies meinem Ansehen sicherlich nicht unzuträglich.«
»Das ließe sich wohl machen. Haben wir Ateshgas System bereits verlassen?«
»Es gibt noch eine kleine Angelegenheit zu klären, bevor wir aufbrechen.« Mit ausgestreckter Hand ermunterte ich ihn dazu, aus dem Käfig herauszutreten. »Sie müssen nicht darin bleiben, wenn Sie nicht möchten.«
Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. Das hatte etwas Theatralisch-Steifes, denn die Maske war zu symmetrisch, um menschliche Gefühle vollkommen überzeugend wiedergeben zu können. Gleichwohl war es ein Lächeln.
»Ich danken Ihnen, Splitterling.«
»Nennen Sie mich Portula.«
»Wie Sie wollen, Portula.« Er trat so behutsam aus dem Käfig, als fürchtete er, das Fesselfeld könnte sich jeden Moment wieder einschalten. Er streckte die Arme aus und wandte den Kopf nach rechts und nach links, als bewunderte er sie. Ich musste an zwei Dinge denken: an die Raubkatze, die mir einmal im Puppenpalast gehört hatte, und die Replik von Michelangelos David , die in einem der großen Korridore des alten
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