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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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wissen ließ, dass allein unser Gast wusste, was wirklich geschehen war.
    »Mein Gott.«
    »Unter anderen Umständen würde ich mich allein damit befassen. Aber jetzt, wo das passiert ist …« Campion verstummte.
    »Ich kann nicht behaupten, dass ich den scheinheiligen Burschen vermissen werde, aber …«
    »Es wäre dir lieber, er wäre nicht gestorben. Ja, so sehe ich das auch. Man wird sich darauf stürzen, meinst du nicht?«
    »Wenn sie Gelegenheit dazu bekommen. Aber wenn es nicht unsere Schuld war …« Unwillkürlich blickte ich mich nach Hesperus um, wenngleich ich mir alle Mühe gab, mir meine Beklommenheit nicht anmerken zu lassen.
    »Er sagt, er hätte es nicht getan«, flüsterte Campion. »Ich habe mich entschlossen, ihm einstweilen zu glauben.«
    Während wir durchs Schiff zur Brücke der Silberschwingen flitzten, schwankten meine Gefühle zwischen banger Erwartung, den eingebetteten Inhalt betreffend, und düsteren Spekulationen bezüglich Hesperus’ Unschuld. Als sich bei unserem Eintreffen die Beleuchtung einschaltete, war ich gereizt und angespannt. Das Schiff hatte bereits drei Sitzgelegenheiten um die Glashalbkugel angeordnet, die das Hauptdisplay darstellte. Obwohl Campions kleines Raumschiff in der Silberschwingen etwa fünfzigmal Platz gehabt hätte, war meine Brücke nur ungefähr ein Zwanzigstel so groß wie die seine, ausgestattet mit konfigurierbaren Wänden, die zumeist eine stumpfe Zinnfarbe hatten, mit Beleuchtungsgittern an der Decke und einem Minimum sichtbarer Instrumente und Steuerelemente.
    »Ich nehme an, mit dem Drink war es dir ernst«, sagte ich und blieb am Realisator stehen, während die Maschine arbeitete und zwei Gläser füllte. Campions Getränk war alkoholisch; meines ein Cocktail aus Nerven-Aufbaumitteln, die den Erholungsprozess nach dem Aufenthalt im Kryophag unterstützen sollten.
    Campion nahm sein Glas. »Danke.«
    Ich bedeutete Hesperus, auf dem stabilsten Sitz Platz zu nehmen, während Campion und ich uns auf den anderen beiden niederließen. »Es hat keinen Sinn, es noch länger hinauszuschieben, nicht wahr?«, sagte ich mit belegter Stimme. »Offenbare uns die eingebettete Nachricht, Silber – und zwar so, dass alle sie mitverfolgen können.«
    Das Schiff antwortete: »Bei dem eingebetteten Inhalt handelt es sich um eine nicht-interaktive audio-visuelle Aufzeichnung von einhundertfünfunddreißig Sekunden Länge. Falls es noch tiefere Inhaltsschichten gibt, so entziehen sie sich meiner Wahrnehmung.«
    »Können wir davon ausgehen, dass die Nachricht keine Gefahr birgt?«
    »Ich habe die Nachricht mit aller Gründlichkeit untersucht und keine gefährlichen Muster gefunden.«
    Ich befeuchtete mir mit der Zunge die Lippen. »Dann spiel sie ab. Sind alle bereit?«
    »Allzeit bereit«, antwortete Campion. Er tastete nach meiner Hand, bis sich unsere Fingerspitzen berührten.
    In der Halbkugel erschien der lebensgroße Oberkörper eines Mannes. Ich brauchte nur einen Moment, um ihn als Angehörigen der Familie Gentian zu identifizieren und ihm einen Namen zuzuordnen.
    »Schwingel«, sagte ich leise.
    »Was der wohl will …?«, setzte Campion an, da hob Schwingel zu sprechen an.
    »Wenn ihr diese Nachricht erhaltet, dann wohl deshalb, weil ihr euch zur Reunion verspätet habt. Unter gewöhnlichen Umständen hättet ihr einen strengen Tadel verdient … doch das sind keine gewöhnlichen Zeiten. Jetzt gebührt euch unsere Anerkennung, unser Dank und vor allem unsere besten Wünsche für euer weiteres Überleben. Vielleicht seid ihr die Einzigen, die von der Familie Gentian noch übrig geblieben sind.« Die Projektion nickte ernst und ließ keinen Zweifel daran, dass wir richtig gehört hatten.
    Das war ein anderer Schwingel als der, den wir kannten. Von seiner arroganten Herablassung war nur noch ein Schatten übrig. Sein Gesicht wirkte abgespannt, sein Haar war zerzaust und klebte ihm in schweißfeuchten Strähnen an der Stirn, seine müden, besorgten Augen waren schmale Schlitze. An der Wange hatte er eine Verbrennung, eine Schramme oder einen Ölfleck.
    »Wir sind in einen Hinterhalt geraten«, fuhr er fort und dehnte vor Abscheu die Silben. »Die Tausend Nächte hatten noch nicht begonnen – etwa ein Dutzend Raumschiffe wurden noch erwartet, obwohl wir bereits fünfzehn Jahre warteten. Hunderte Schiffe waren bereits eingetroffen – über achthundert kreisten im Orbit. Die meisten von uns waren bereits am Boden in den Feststädten oder warteten in der Stasis auf

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