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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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die Silberschwingen , das Sternenspektrum sei tatsächlich röter als erwartet und weise ungewöhnlich starke Spektrallinien von Nickel und Eisen auf, womit bewiesen war, dass die Sonne von den Überresten der Reunionswelt verhüllt wurde.
    Damit hatte sich bestätigt, dass wir keinem schlechten Scherz aufgesessen waren und dass von jetzt an nichts mehr so sein würde wie früher. Die ersten sechs Millionen Jahre waren im Vergleich dazu ein Kindergeburtstag gewesen.
    Jetzt wurden wir erwachsen.
    »Was ist, wenn sich in der Staubwolke noch Überlebende verstecken?«, fragte Campion. »Sind wir nicht verpflichtet, nach ihnen zu suchen?«
    »Schwingel hat gesagt, er habe die Botschaft acht Jahre nach dem Angriff ausgestrahlt. Addiert man die dreizehn Jahre dazu, die das Signal gebraucht hat, um unser Schiff zu erreichen, kommt man auf zweiundzwanzig Jahre. Addiert man noch weitere dreizehn Jahre hinzu, die bis zum Erreichen des Sonnensystems verstreichen würden, kämen wir schon auf vierunddreißig Jahre.«
    »Schwingel hat acht Jahre überlebt, sonst hätte er die Botschaft nicht aussenden können.«
    »Er hat nicht gesagt, dass er noch dort gewesen wäre. Aus dem Ursprungsort der Nachricht können wir keine Rückschlüsse ziehen. Sie könnte auch von einem Schiff auf dem Weg zum Rückzugsort ausgesandt worden sein.«
    »Du musst zwischen den Zeilen lesen. Er war verletzt. Wenn er sich außerhalb des Systems aufhielte, hätte er sich behandeln lassen können. Sein Schiff muss beschädigt sein, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es sich noch immer innerhalb der Staubwolke befindet. Schwingel muss sich dort seit dem Angriff versteckt halten. Das heißt, wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es noch weitere Überlebende gibt.« Seine Stimme schraubte sich ein wenig in die Höhe. »Wenn wir in diesem Sonnensystem gestrandet wären, verletzt, aber noch am Leben, dann würden wir auf Hilfe von außen warten.«
    »Das Überleben der Familie wiegt schwerer als das Überleben einzelner Splitterlinge.«
    »Überleg mal, was Schwingel an unserer Stelle tun würde«, sagte Campion leise.
    »Was denn?«
    »Versetz dich in seine Lage – stell dir vor, er hätte diesen Funkspruch aufgefangen und nicht wir. Stell dir vor, wir hätten ihn ausgesendet, und er müsste entscheiden, wie er sich verhalten soll. Schwingel hat recht daran getan, uns zu warnen, aber er wusste ganz genau, dass wir nicht auf ihn hören würden. Ich mache mir nicht viel aus diesem arroganten, heuchlerischen Mistkerl, aber glaubst du wirklich, er würde unsere Warnung beherzigen? Ich weiß nicht, ob mein Vorschlag gut ist oder nur bodenlos dumm, aber ich weiß, wir können das nicht einfach so abtun. Das sind unsere Brüder und Schwestern, unsere Angehörigen. Sie sind ein Teil von uns, Teile des Ganzen, Teile dessen, was uns zu Menschen macht. Wenn wir sie im Stich lassen, können wir die Familie gleich vergessen. Dann haben wir nicht mehr das Recht, uns Gentianer zu nennen.«
     
    Wir gingen nach dem Doktor sehen.
    Im Tank war es so dunkel wie eh und je, doch es war etwas hinter dem Glas zu erkennen, flache, blasse Inseln, durchsetzt mit Flüssen und willkürlich verteilten Schatten. Ich fühlte mich wie betäubt und fragte mich, wie diese blasse, teigartige Masse hatte in den Tank gelangen können, ohne dass Doktor Meninx es bemerkt hatte. Dann wurde ich auf das flache, rissige Oval eines Auges aufmerksam, und mir dämmerte allmählich, dass die blasse Masse Doktor Meninx gewesen war und dass sein Leichnam auf mindestens das doppelte Volumen angeschwollen war, bis er sich nicht weiter hatte ausdehnen können.
    Ich kletterte über die Leiter auf den Tank. Ich klappte einen Teil des Laufgitters zurück und schraubte die runde Luke auf. Ich wollte sie gerade zurückklappen, als mir durch den Spalt ein giftiger, säuerlicher Geruch in die Nase stieg.
    Ich schlug die Luke wieder zu.
    »Sagen Sie mir, was passiert ist.«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Hesperus.
    Mit zitternden Händen ließ ich mich auf den Boden hinunter. Ich hatte Doktor Meninx nicht gemocht, und je mehr Vorurteile er von sich gab, desto stärker war meine Abneigung geworden. Doch er war ein Sternfahrer gewesen wie wir, ein Wesen, das weit herumgekommen und in Meeren von Erinnerungen und Erfahrungen geschwommen war, und jetzt gab es all diese Erinnerungen und Erfahrungen nicht mehr.
    Der Zorn traf mich mit der Gewalt einer Supernova-Schockwelle.
    »Was soll das

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