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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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Prinzessin zurückgekehrt. »Und du kannst nicht ständig wechseln – man muss so lange bei einer Person bleiben, bis das Spiel entscheidet, dass es genug ist.«
    »Was ist mit der anderen Burg, die man in der Ferne sieht?«
    »Das ist die Schwarze Burg. Dort lebt Graf Mordax. In der Welt des Puppenpalasts ist er mein Stiefbruder.«
    »Ich will der Graf sein.«
    »Das geht nicht. Du musst dir jemanden aus dem Wolkenpalast aussuchen.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Du musst jemanden sehen, um ihn spielen zu können. Graf Mordax ist zu weit weg.«
    Trotz mehrerer Versuche war es den Mannen des Waffenmeisters noch nicht gelungen, die Schwarze Burg zu erreichen. Am ersten Abend hatte sich herausgestellt, dass die Männer, die im Wald der Schatten lagerten, Soldaten des Grafen Mordax waren, die sich als Prinz Araneus’ Kämpfer verkleidet hatten. Sie hatten unsere Männer in einen Hinterhalt gelockt und viele von ihnen erschlagen. Waffenmeister Cirlus hatte sich nach der Niederlage seiner Streitmacht zurückgezogen. Er hatte noch zwei weitere Versuche unternommen, die Burg zu erstürmen und meine Hofdame zu befreien, war aber beide Male zurückgeschlagen worden und hatte schwere Verluste an Männern und Pferden hinnehmen müssen. Währenddessen durchkämmten die Leute des Grafen Mordax die Weiler und Dörfer und suchten nach dem versteckten Zauberer Calidris. Über kurz oder lang würde Calidris seine Magie einsetzen müssen, um nicht entdeckt zu werden.
    »Es muss doch irgendwie möglich sein, dass ich Graf Mordax werde«, sagte der Junge.
    »Das ist ein Bösewicht«, erwiderte ich erstaunt. »Weshalb willst du unbedingt der Graf sein?«
    »Du hältst ihn für einen Bösewicht. Er selbst sieht das sicher anders.«
    »Er hat meine Hofdame entführt. Er will sie erst dann freilassen, wenn er weiß, wo Calidris sich aufhält.«
    Er erkundigte sich, was ich unternommen hätte, um die Hofdame zu befreien. Ich erzählte ihm von Calidris und unseren gescheiterten Versuchen, die Schwarze Burg zu erstürmen.
    »Dann musst du die Sache anders angehen. Wenn ich Mordax wäre, könnte ich sie freilassen, nicht wahr?«
    Ich versuchte ihm zu erklären, dass der Palast ihn verändern würde, dass er denken und fühlen würde wie Mordax, doch das war gar nicht so einfach. Jedenfalls wischte er meine Argumente mit vorgetäuschter Gleichgültigkeit beiseite.
    »Ich will immer noch er sein.«
    »Das geht nicht – er kommt nicht in die Nähe des Wolkenpalasts, und er lässt uns nicht in die Nähe der Schwarzen Burg.«
    »Wie wär’s, wenn wir einen Boten zu ihm schicken würden?«
    »Er würde dich töten.«
    »Ich gebe mich als Spion aus und behaupte, ich wüsste, wo der Zauberer sich aufhält. Dann wird er mich nicht töten, jedenfalls nicht, bevor er mit mir gesprochen hat. Dann kann ich zum Grafen werden.«
    »Vielleicht wird er dich nicht persönlich empfangen.«
    »Dann verwandele ich mich eben in den Mann, der mich verhört, und arbeite mich nach und nach bis zum Grafen durch.«
    »Ich weiß nicht«, meinte ich skeptisch. Bislang hatte der Palast mir ganz allein gehört. Wenn ich damit spielte, beeinflusste ich allein den Gang der Ereignisse und verfügte über den beschränkten, aber schlauen Verstand der Maschine, die ihre endlosen Schemata abarbeitete. Wenn der kleine Junge ins Spiel eintrat und die Persönlichkeit des Grafen Mordax annahm, würde sich meine Vorstellungswelt verändern. Ein anderer menschlicher Verstand würde den Ausgang beeinflussen. Es war eine Sache, von einer Maschine besiegt zu werden, doch einem anderen Kind wollte ich mich nur ungern geschlagen geben.
    Andererseits wollte ich meine geheime Welt auch mit ihm teilen.
    »Wir können jetzt reingehen«, sagte ich, »aber im Palast dauert alles. Die Zeit wird vielleicht nicht reichen, um vor deiner Abreise zur Schwarzen Burg zu reiten.«
    »Aber ich kann mich wenigstens umschauen«, erwiderte der kleine Junge. »Ich kann Pläne schmieden, nicht wahr?«
    »Natürlich«, sagte ich. »Schmiede meinetwegen so viele Pläne, wie du willst. Aber das wird am Ende auch nichts ändern.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich trotzdem gewinnen werde.«

Zehn
     
     
     
     
     
    Campion gelang es nur schwer, seine Angst zu verbergen. Sie zeigte sich in den verspannten Mundwinkeln, den hervortretenden Kiefermuskeln und seinen Augen. Sie sickerte ihm aus allen Poren.
    »Was ist los?«, fragte ich mit schwerer Zunge, als wäre ich betrunken. »Ich wollte gerade zu dir

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