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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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angestarrt wurde. Sie sah über ihre Schulter. Da standen sie, die Männer aus dem Dschungel, die MPAJA -Soldaten. Sie beobachteten sie wie Geier, die über einem Stück Aas kreisen.
    Alle hatten ähnlich harte, knochige Gesichter – eckige Wangenknochen, kantige Kinnlinien und mattschwarze Haare. Der größte und älteste , dachte Lu See, derjenige, der die Befehle gibt, der mit den nackten Brust und den dicken, gummiartigen Lippen, der muss der Anführer sein.
    Die Daumen in die Gürtel eingehakt stolzierten sie jetzt auf dem Dorfplatz umher. Lu See konnte den süßen Duft ihrer Gewürznelkenzigaretten riechen. Sie zählte ihre Waffen: Zwei von ihnen hielten parangs in den Händen, die anderen trugen Gewehre an Riemen über ihren Schultern. Und dann war da auch noch der Junge, den sie schon einige Tage zuvor gesehen hatte, der Zehnjährige, der auch jetzt die japanische Armeepistole in seinen Gürtel gesteckt hatte.
    Ein betrunkener Fischer stolperte auf Lu See zu. Sein ungepflegtes Gesicht, die Lider bereits auf Halbmast, ähnelte einem Schiffswrack. Lu See stand mehr oder weniger zufällig direkt in seinem Blickfeld.
    »Du!«, schrie er, Speichelflöckchen spuckend und taumelnd wie ein Boxer in den Seilen.
    Lu Sees Gesicht wurde starr.
    »Ich kenne dich doch!«
    Sie machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Er folgte ihr. Der Alkohol hatte ihm Mut gemacht, und er suchte offensichtlich Streit.
    »Du bist doch die Verräterin, die mit Tozawa gemeinsame Sache gemacht hat.«
    Köpfe fuhren zu ihnen herum. Die Kinder hörten auf zu tanzen. Ihre Gongs verstummten. Das Lachen erstarb. Die festliche Stimmung war verflogen.
    »Glaubst du etwa, nur weil du eine Teoh bist, kann dir nichts geschehen? Wir haben uns erst vor Kurzem einen Woo vorgenommen. Glaub ja nicht, das wir mit dir nicht dasselbe machen würden.«
    Der betrunkene Fischer, der mit seinem Finger auf sie zeigte, erhielt jetzt Unterstützung durch die Frau aus der Holzhandlung und einen barfüßigen Ziegenhirten.
    »Als wir nichts zu essen hatten, hat sie auf dem Schwarzmarkt Zucker gekauft«, beschuldigte sie die Frau. »Ich habe es mit eigenen Augen gesehen!«
    »Und wenn sie mit ihrer Arbeit fertig war, ist sie mit seinem Auto nach Hause gefahren worden, so als wäre sie eine Konkubine aus der Großstadt!«, schrie der Fischer.
    Der Ziegenhirte begann, die Menge aufzuhetzen. Er rief immer wieder: »Japanerfreundin, wir kriegen dich!« Sein verfilzter, langer Kinnbart schwang hin und her, als er auf Lu See zuwankte. Jetzt konnte sie ihn riechen. Er verströmte einen muffigen Gestank, wie ein feuchtes Handtuch, das zu lange in einer Tasche gelegen hat. »Was sollen wir mit der da machen?«, bellte er. »Hast wohl gedacht, dass du damit durchkommst, was?«
    Lu See hielt seinem Blick ruhig stand. »Womit soll ich durchkommen?«
    »Lass meine Tochter in Ruhe!«, rief ihre Mutter und drückte Mabel fest an sich.
    Der Betrunkene hatte Schluckauf. »Reißt ihr die Kleider vom Leib! Schande über sie!«
    Der Ziegenhirte holte ein Schermesser aus seinem Rucksack. »Wir scheren Ziegen und Huren die Wolle«, knurrte er.
    Onkel Hängebacke zog seinen Bauch ein und versuchte, sich zu ihr durchzukämpfen, wurde aber von mehreren Dorfbewohnern ergriffen und festgehalten, während die anderen einen großen lärmenden Kreis um Lu See bildeten. Lu See spürte, wie die Hand einer Frau nach ihrem Oberteil griff und sie sich mit den Nägeln in den Stoff krallte. Der Stoff zerriss, sodass ihre Schulter zu sehen war.
    »Verpassen wir ihr einen Denkzettel!«, schrie der betrunkene Fischer.
    In diesem Moment trat James vor. Er zeigte wie ein Prophet des Alten Testaments mit einer Hand zum Mond. »›Die Redlichen werden das Land bewohnen. Die Frevler aber werden aus dem Land verstoßen, die Verräter aus ihm weggerissen.‹ Sprichwörter 2, 21. Diese Frau ist unschuldig. Lasst sie in Ruhe.«
    Der Ziegenhirt zog überrascht die Augenbrauen hoch und sah dann James’ glatt rasiertes Gesicht mit den hervortretenden Augen finster an. »Wer zum Teufel bist du denn?«
    »Ich bin ein Lamm Jehovas.«
    »Lamm?«
    »Ja, Lamm. Mäh-mäh, Lamm.« James schenkte ihm ein glückseliges Lächeln.
    Kurzzeitig verunsichert versuchte der Ziegenhirte James mit einer Handbewegung wegzuscheuchen.
    »Selig sind die Sanftmütigen, denn ihnen wird die Erde gehören.« James strahlte eine augenfällige Begeisterung aus. »Ich rate dir dringend, meine Schwester in Ruhe zu lassen. Sie hat nichts Böses

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