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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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nein.« Derselbe Ausdruck des Bedauerns lag auch jetzt in Tormams Augen.
    Sum Sum beschloss, das Thema zu wechseln. »Jampa war wirklich wütend, nicht wahr?« Sie schnalzte mit der Zunge.
    »Ich dachte, sie würde vor Zorn gleich platzen.« Tormam musste sich beherrschen, um nicht wieder loszukichern. »Ich nehme an, wir sollten um Vergebung beten.«
    Plötzlich fasste sich Sum Sum erschrocken ans Handgelenk, klopfte dann ihre Kleidung ab und sah schließlich unter die schlichte Holzpritsche, auf der sie lag.
    »Hast du etwas verloren?«, fragte Tormam.
    Sum Sum ließ ihren Blick noch einmal suchend über den Boden schweifen und spürte, wie ihre Wangen glühend heiß wurden. »Meine Mala -Perlen.« Sie fasste sich wieder ans Handgelenk.
    Sie suchten überall.
    »Du hast sie bestimmt neben der Wanne liegen gelassen. Du wirst zurückgehen müssen.«
    »Beim Dharmakaya-Himmel, wir sollen doch hier im Schlafsaal bleiben. Ich habe Angst, allein zurückzugehen. Vielleicht ist Jampa ja noch da. Sie wird mich bei lebendigem Leib häuten. Kannst du nicht mitkommen?«
    Sie huschten den Korridor entlang und dann durch einen Saal, in dem flackernde Kerzen wandernde Schatten warfen und Weihrauch in tönernen Gefäßen brannte. Kurz darauf standen sie vor dem roten Tor des Trockenraums. Sum Sum streckte die Hand nach dem Türgriff aus, hielt dann aber inne.
    »Was ist?«, fragte Tormam.
    »Hörst du das?«
    »Was soll ich hören?«
    Sie legte den Kopf schief, um zu lauschen. »Klingt wie eine schreiende Möwe«, sagte Sum Sum.
    Sie pressten ihre Ohren an die schweren Torflügel.
    »Beim Dhamakaya-Himmel, das ist Jampa!«
    »Sie singt!« Tormam bekam große Augen. »Sie sitzt im Badewasser, in unserem Badewasser, und singt!«
    Ein Freudenschrei drang jetzt durch die Wände. Sum Sum stampfte mit dem Fuß auf. »Was für eine Frechheit!«
    »Das ist ungerecht. Was sollen wir jetzt machen?«
    »Lass uns in einer Stunde wiederkommen. Bis dahin ist sie sicher weg. So eine Frechheit, aiyoo !«
    Als die beiden Mädchen eine Stunde später zurückkehrten, hörten sie ähnliche Schreie.
    »Was, lah , noch immer?« Sum Sum ging in die Hocke, das Kinn enttäuscht in die Hände gestützt. »Man sollte eigentlich annehmen, das sie inzwischen genug gebadet hat, oder?«
    Wieder schnitt ein leidenschaftliches Juchzen durch die Luft, dicht gefolgt von einem zweiten.
    »Anscheinend will die Schweinekönigin nicht auf ihren Thron verzichten.«
    Tormam schüttelte irritiert den Kopf. »Warte mal. Klingt das deiner Meinung nach wirklich nach Gesang?«
    Das vermeintliche Juchzen hörte sich jetzt vielmehr wie ein zorniges Heulen an. Die Mädchen gingen auf die Tür zu. Sum Sum versuchte, durch einen winzigen Spalt im Holz etwas zu erkennen. Dann drehte sie sich zu Tormam um.
    »Irgendetwas ist mit ihr geschehen. Sie schneidet verrückte Grimassen und rollt wie wild mit den Augen.«
    Sie öffneten die Flügeltür und traten ein. Jampa funkelte sie böse an. Ihre Augenlider, Augenbrauen und Lippen zuckten unkontrolliert.
    »Ich stecke fest!«, schrie sie mit klappernden Zähnen. »Fest, fest, fest!« Die Worte peitschten förmlich durch die Luft. »Bei der brennenden Sonne! Ich sitze hier schon seit einer Ewigkeit und friere, und niemand kommt!«
    »Wir dachten, du würdest singen.«
    »Singen?« Jetzt kreischte Jampa wie eine erboste Henne. »Ich habe um Hilfe gerufen!« Alle Muskeln in ihrem Gesicht zuckten krampfhaft. »Also, jetzt steht nicht einfach da und glotzt. Helft mir lieber aus dieser elenden Wanne heraus! Ich erfriere! Und verriegelt die Tür hinter euch!«
    Tormam und Sum Sum fassten die Gebetshallenleiterin unter den Achseln, aber sie ließ sich nicht bewegen.
    » Aiyoo sami! Sie sitzt fest wie eine mongolische Zecke. Zieh!«, rief Sum Sum.
    Kaltes Wasser schwappte auf ihre Gewänder und über den Boden.
    »Es liegt an meinen Hüften«, rief Jampa mit heiserer Stimme. Ihre Lippen waren inzwischen ganz blau. »Sie haben sich in den Wänden des Fasses verkeilt. Hier«, sie schob eine ihrer hängenden Brüste zur Seite. »Seht ihr das denn nicht?«
    Sum Sum betrachtete die zusammengequetschten und von Gänsehaut überzogenen Speckfalten. »Lass uns das Reisfass auf die Seite kippen.« Es war jetzt nur noch halb mit Wasser gefüllt und deshalb leichter zu bewegen. »Die Schwerkraft wird uns helfen, oder?«
    Während Jampas Arme auf ihren Schultern lagen, neigten die das Fass vorsichtig auf die Seite und begannen dann zu stemmen, zu stöhnen

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