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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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ich meine das ernst. Du kennst doch diese strauchartige Pflanze, die hier überall wächst. Es ist eine traditionelle tibetische Heilpflanze. Die Engländer nennen sie Wermut. Sie wird vor allem zur Behandlung von Malaria eingesetzt. Wir sagen also einfach, dass wir eine Kräutersuppe für die Äbtissin kochen.«
    »Für die Äbtissin?«, rief Tormam, die allein schon beim Gedanken an die alte Priesterin in Panik geriet.
    »Ja, für die Äbtissin. Und für die Kräutersuppe ist unbedingt sauberes Wasser aus dem Fluss erforderlich.«
    »Du hattest doch schon einmal Ärger mit der Äbtissin. Können wir uns das Wasser nicht aus den großen Bottichen in der Küche holen?«
    »Nein. Damit würden wir nur Aufsehen erregen. Wir werden das Wasser schon selbst aus dem Fluss holen müssen.« Ein Lächeln der Vorfreude huschte über Sum Sums Gesicht, als sie das sagte. »Bist du auch schon aufgeregt?«
    »Ich kann es wirklich kaum erwarten.«
    Sum Sum ignorierte die sarkastische Bemerkung ihrer Freundin und sah zu, wie in der Ferne zwei graue Wölfe auf der Suche nach Schafen an einem Berghang entlangstreiften.
    » Hnnn. Du wirst schon sehen. Du wirst noch völlig begeistert sein!«
    Hinter den roten Türflügeln des Trockenraums bullerte der Kohlenofen. Darauf standen mehrere runde Gefäße mit kochendem Wasser. Die Decke, die der Rauch von vielen Jahren dunkel gefärbt hatte, war niedrig. Der Raum war schlecht beleuchtet, und in der Düsternis sahen die Ersatzgewänder, die an den Haken an den Wänden hingen, wie knorrige Ghule aus. Sum Sum und Tormam keuchten, als sie einen mit Eisstücken befüllten Zinneimer durch den Raum schleppten. Sie kippten den Eimer mit eiskaltem Wasser in ein leeres Reisfass und gingen dann wieder nach draußen, um einen weiteren Eimer zu holen.
    »Ziemlich schwer, was?«, sagte Sum Sum vergnügt. »Bist du jetzt aufgeregt?«
    »Ich kann mich kaum mehr zurückhalten. Es ist, als würde ich dem Yeti gegenüberstehen«, entgegnete Tormam sarkastisch und zog die Stirn kraus.
    » Ndug’re. Es lohnt sich, glaub mir«, sage Sum Sum. Ihre Augen blitzten dabei schelmisch.
    Tormam zog eine Grimasse, als sie ihre von der Kälte tauben Finger anstarrte und sie dann mehrmals öffnete und schloss, als wolle sie prüfen, ob sie nicht erfroren waren.
    Nach zwanzig Minuten waren die beiden Reisfässer zu drei Vierteln mit Eisstückchen und Wasser aus dem Fluss gefüllt. Im ganzen Raum roch es nach Holzkohlenrauch.
    »Jetzt kommen wir zum zweiten Teil.«
    Sum Sum wickelte einen Streifen Tuch um ihre Hände und ging zu dem Holzkohleofen hinüber. »Komm und hilf mir.«
    Sie zogen eines der Gefäße von der heißen Platte und schoben es vorsichtig nach vorne, um es über den Rand des Fasses zu kippen. Das brühheiße Wasser lief über das Eis. Es zischte und knackte, Dampfwolken stiegen auf.
    »Noch mal«, sagte Sum Sum, die jetzt noch heftiger atmete.
    Sie gingen das andere runde Gefäß holen. Noch mehr Dampf erfüllte den Raum.
    »Ist das auch richtig so?«, fragte Tormam, während sie den Dampf argwöhnisch beäugte und dann zu lachen begann.
    »Ich bin mir nicht sicher. Schmelzen die Eisstücke denn schon?«
    Sie konnten einander durch die Schwaden kaum noch erkennen. »Ich glaube schon. Aber nur langsam. Was sollen wir tun?«
    »Noch mehr Wasser kochen!«
    Tormam ging zum Herd, um das Feuer weiter zu schüren. »Ich kann überhaupt nichts mehr sehen! Da ist viel zu viel Dampf!«
    »Pssst!«, mahnte Sum Sum sie, in der Hoffnung, dass niemand ihr leises Kichern hören konnte. »Man darf uns nicht erwischen.«
    Daraufhin begannen sie beide, umso lauter zu glucksen.
    Schließlich und endlich saßen Sum Sum und Tornam in ihren behelfsmäßigen Badewannen. Ihre Gewänder und Mala -Perlen lagen auf einem Haufen auf dem Boden. Nach einigem Ohh! und Ahh! hatten sich die Mädchen in die Fässer gequetscht und saßen dann, die Knie an die Brust gezogen, die Köpfe angelehnt, die Ellbogen locker über den Rand hängend, bis zu den Schlüsselbeinen im Wasser. Die Haut an ihren Schultern glänzte rosa, und ihre Fingerkuppen waren verschrumpelt wie Pflaumen. Sie hatten beide die Augen geschlossen.
    Sum Sum vergaß, wo sie war, vergaß, was sie getan hatte und was sie hätte tun sollen, vergaß einfach alles außer dem angenehmen Gefühl von Wasser auf ihrer Haut, so will kommen wie warmer Regen im Frühling. Nach einer Weile reckte sie die Arme wie eine Katze, die sich in der Sonne rekelt, und sah zu Tormam hinüber. »Was

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