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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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Kissen unter den Kopf. »Woll’n Sie, dass ich Lu See aus der Jesus Lane hole?«
    Nein, dachte Sum Sum. Adrian war noch nicht lange tot. Sie trauert noch, liegt bestimmt zusammengerollt in ihrem Bett, die Beine an die Brust gezogen, die Arme um die Knie geschlungen. Lass sie in Frieden.
    »Und woll’n Sie das Kind hier bekommen?«
    »Soll ich etwa hinter Busch gehen wie Frauen in Bergen von Tibet?«
    »Ich spreche doch vom Krankenhaus!«
    Sum Sum schüttelte den Kopf. »Nein, ich bekomme Baby hier.«
    Saubere Handtücher, eine Schere und ein Eimer mit kochend heißem Wasser standen schon bereit. Mrs Slackford legte Sum Sum ein feuchtes Tuch auf die Stirn und wies sie an, sie solle mehrmals tief einatmen, bevor sie dann wieder ein einziges Mal presste.
    »Löffelholz!«, stieß Sum Sum hervor.
    Mrs Slackford ging in die Küche und kam wenige Augenblicke später mit einem Holzlöffel zurück. Sum Sum klemmte sich den hölzernen Löffelstiel zwischen die Zähne.
    Okay, du musst pressen. PRESSEN! Und fang bloß nicht an, wie verrückt zu schreien.
    Der Regen trommelte gegen die Scheibe.
    Sum Sum biss auf den Löffel, kniff die Augen zu. Mrs Slackford blies die Backen auf, um ihr zu zeigen, wie sie atmen sollte. »Fest pressen, meine Liebe.«
    Eine weitere halbe Stunde verging. Sum Sum riss sich das feuchte Tuch von der Stirn und holte tief Luft, spürte, wir ihr Gesicht immer heißer und ihre Zehen immer kälter wurden. Sie zitterte am ganzen Leib. Ihr Bauch wölbte sich vor ihren Augen wie ein wütender, von rosafarbenen Adern überzogener Humpty-Dumpty-Kopf.
    »Das wird schon, meine Liebe. Machen Sie sich keine Sorgen.« Mrs Slackford, eine dicke Hornbrille auf ihrer Nasenspitze, rückte ihre Schürze zurecht und brachte ihre Ellbogen zwischen Sum Sums Knien in Stellung, während sie mit den Lippen ermutigende Worte formte. Den Kochlöffel zwischen den Zähnen, biss Sum Sum zu und bog ihren Rücken durch, als eine weitere heftige Wehe ihren Körper zusammenzog.
    »Fest pressen, Schätzchen«, wies Mrs Slackford sie an.
    Pressen! Aiyoo sami! Du musst pressen! Und schrei bloß nicht, sonst lockst du nur böse Geister an.
    Sie brüllte jedoch bereits vor Schmerz.
    »So ist’s gut, meine Liebe. Lassen Sie es raus. Denken sie an Ihren Mann und wie stolz er sein wird. Mr Aziz, nich wahr?«
    Sum Sum dachte an den Mann, der für ihren Zustand verantwortlich war, und stieß einen weiteren Schrei aus.
    Ich werde dich umbringen, weil du mir das angetan hast. Ich bringe dich um!
    Mit dem wilden Blick eines Kapitäns, der die Kontrolle über seinen Kahn verloren hat und jetzt ungebremst einen steilen Wellenberg hinunterrast, presste Sum Sum. Nach einer Weile sagte ihr der Instinkt, dass sie es in der Hocke versuchen sollte. Wenn sie sich an den Bettpfosten festhielt, würde ihr bestimmt die Schwerkraft helfen.
    Die Muskeln in ihrem Gesicht verkrampften sich.
    Falls ich dich jemals in die Finger bekomme!
    Sum Sum biss die Zähne zusammen und strengte sich noch mehr an. Sie spürte, wie das Baby in ihrem Leib die Position veränderte, sich seinen Weg durch den Geburtskanal bahnte. Im Zimmer begannen Farben herumzuwirbeln. Sie biss mit aller Kraft auf den Löffel und presste noch einmal. Ein entsetzlicher Schmerz schoss durch ihren Körper.
    »Oh, sehen Sie!«, rief Mrs Slackford. »Ich glaub, es kommt.«
    Sum Sum hatte das Gefühl, als würde jemand ihr Inneres zu Konfetti verarbeiten. Sie packte den Bettpfosten und presste noch fester.
    Der Kopf des Kindes kam zum Vorschein.
    »Komme ich zu spät? Wie geht es ihr?« Es war Lu See, die ins Zimmer stürmte und dabei ihren Mantel auszog. »Ich hatte so ein komisches Gefühl. Ich musste einfach herkommen!«
    »Ich seh es!«, rief Mrs Slackford, als sie ihre Hände auf Sum Sums Bauch legte und Druck ausübte. »Jetzt seh ich auch schon die Schultern! Da kommt es.«
    Ein schrumpeliges Wesen mit gummiartiger rosa-bläulicher Haut rutschte aus Sum Sum heraus. Sekunden später folgten die Plazenta und die fötalen Membranen in einem warmen blutigen Schwall. Mrs Slackford hielt das Neugeborene an den Beinen hoch und gab ihm einen Klaps auf den kleinen Po. Entrüstet über diese Behandlung gab es einen stotternden, gereizten Schrei von sich, während es mit seinen winzigen Händen versuchte, das grelle Licht wegzuschieben.
    Lu See jauchzte vor Freude und war mit den Handtüchern zur Stelle.
    »Ein süßes kleines Mädchen«, sagte Mrs Slackford und band die Nabelschnur ab, bevor sie sie

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