Das Haus der tausend Blueten
sagen.
Sich zu ihr herüberbeugend flüsterte Sum Sum ihr mit Nachdruck zu: »Mein Plan sieht vor, dass du den Himmel kennenlernst!«
»Du hast vor, mich zu töten und mich so ins Nirwana zu schicken?«
»Nein, ich meine nicht diese Art von Himmel.«
»In den heiligen Schriften steht aber geschrieben, dass es nur eine einzige Art von Himmel gibt.«
» Aiyoo! Hat dich deine Mutter als Baby einmal auf den Kopf fallen lassen? Nein, ich werde Wasser aus dem Fluss holen, es heiß machen, und du wirst dich dann reinsetzen.«
Tormam sah sie erstaunt an. »Du willst mich bei lebendigem Leib kochen?«
Sum Sum seufzte. »Ja, in heißem Wasser.«
In der Gebetshalle angekommen setzte sich Tormam auf einen der Teppiche. »Und das ist eine gute Sache?«
Sum Sum entzündete eine Reihe von Yakbutterkerzen mit einem langen brennenden Stab. »Nicht so laut! Ja, das ist eine gute Sache.«
»Entweder bist du über Nacht erleuchtet worden, Sengemo, oder du hast chinesisches Opium gekaut.«
»Vertrau mir einfach.«
Das Dorf der Wolkigen Wipfel war nach den Bäumen benannt, die auf der Bergspitze wuchsen und so gut wie immer in Wolken gehüllt waren. Im Frühling, wenn der Schnee geschmolzen war, kamen die Ziegenhirten wegen des frischen saftigen Grases hier herauf, während die Novizinnen die Wäsche auf den Waschsteinen am Ufer des nahen Flusses ausschlugen. Dahinter begann, durch die grandiose Landschaft ringsum wie geschrumpft wirkend, das Sera-Tal, wo das amerikanische Flugzeug abgestürzt war.
Sum Sum sah mit zusammengekniffenen Augen in die Ferne, suchte nach Spuren des Flugzeugwracks. Der Rumpf der abgestürzten C-87 war jedoch nicht mehr zu sehen. Die Dorfbewohner, aber auch die Nomaden, hatten ihn ausgeschlachtet, zerlegt und Stück für Stück abtransportiert. Die Fracht, die im Wesentlichen aus Waffen und Munition bestanden hatte, hatten sie bereits jenseits der Grenze verkauft. Bis auf ein paar Glassplitter und die aufgerissene Erde, dort wo sich das Fahrwerk beim Absturz in den Boden gegraben hatte, wies nichts mehr darauf hin, dass dort erst vor Kurzem ein Flugzeug abgestürzt war. Es war, als hätte sich ein Loch in der Erde aufgetan und das Wrack verschlungen.
Sum Sum dachte an den armen Flieger.
Aus dem Mönchskloster hatte sie die Nachricht erreicht, dass er seinen Verletzungen erlegen war. Sum Sum war nach wie vor der Überzeugung, dass man sein Leben hätte retten können, wenn man darauf verzichtet hätte, ihn zu transportieren. Sie gab der Äbtissin die Schuld an seinem Tod, aber sie wusste auch, dass sie damit abschließen musste, vor allem auch deshalb, weil sich ihr Verhältnis zur Äbtissin inzwischen einigermaßen normalisiert zu haben schien. Natürlich machte sie hin und wieder einen Fehler, schließlich musste sie sich erst noch an die strengen Klosterregeln gewöhnen, allmählich hatte sie aber das Gefühl hierherzugehören.
»Also, zuerst muss ich herausfinden, wie lange man zum Fluss unterwegs ist«, sagte Sum Sum zu Tormam.
In eine Decke aus Yakfell eingewickelt ging Sum Sum vom Nonnenkloster hinunter bis zum Ufer des Flusses. Sie brauchte dafür zehn Minuten. Der Boden unter ihren Füßen war kiesig und trocken, das Gras hart wie Kokosfasergarn.
Nachdem sie unter einem granatapfelroten Himmel zum Nonnenkloster von Ani Trangkhung mit seinen geschwungenen Dächern zurückgekehrt war, sagte sie zu Tormam: »Also, mein Plan sieht folgendermaßen aus.« Sie stellte ihren Korb mit den frisch gewaschenen, noch feuchten Gewändern auf den Boden und rieb sich die beißende Kälte aus den Händen. »Hör zu, lah . Wir nehmen einen Handschlitten, stellen zwei leere Reisfässchen darauf und ziehen ihn zum Fluss. Dort füllen wir die Fässchen mit Wasser oder Eisstückchen und bringen sie dann zum Trockenraum. Du weißt schon, welchen Raum ich meine, der, in dem das Brennmaterial, der Yakdung, getrocknet wird.«
Tormam nickte aufmerksam und wünschte sich für einen Moment, das Kloster würde über fließendes Wasser verfügen.
»Wir werden mehrmals hin und her gehen müssen.«
»Und was sagen wir, wenn uns jemand fragt, was wir da machen?«, fragte Tormam.
»Was meinst du damit?«
»Warum wir die Fässchen transportieren? Sollen wir sagen, dass es Trinkwasser für den Tisch ist?«
»Nein, lah, das macht die Küche.«
»Was dann?«
»Wir wollen eine Suppe machen.«
Tormam sah Sum Sum bei dieser Antwort erstaunt an. »Suppe, also, ja, natürlich. Warum auch nicht?«
»Nein, hör zu, lah,
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