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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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von weichen Kopfkissen aus Baumwolle aus Indochina, vom angenehmen Gefühl von Toilettenpapier auf ihrer Haut, von der einfachen Freude, sich die Haare mit sauberem kühlem Wasser zu waschen. Es waren Augenblicke wie diese, in denen sie nur allzu gern nach Hause zurückgekehrt wäre.
    Mit dem ersten Licht des Tages erhob sich ein lauter Chor von Stimmen. Eine Gruppe Gibbons sang hoch oben in den Bäumen, um Rivalen, die in ihr Revier eindringen wollten, zu vertreiben. Dem folgte bald darauf der kräftige Bariton eines Orang-Utans.
    Mabel wusch sich im gelben Wasser des Flusses, den Sarong unter ihren Achseln festgebunden. Sie war nur noch Haut und Knochen und hatte ihre ursprünglich eher stämmige Figur inzwischen völlig verloren, trotzdem wirkten ihre Bewegungen nach wie vor kontrolliert und tatkräftig. Ihre Schlüsselbeine standen scharf hervor, und ihre Arme und Beine waren mit Insektenstichen übersät. Sie schöpfte Wasser mit ihren Händen und schüttete es sich über den Hals. Das Wasser brannte auf den entzündeten Stellen ihrer Haut, die schon lange keine Seife mehr gesehen hatte. Als sie aufblickte, sah sie einen weiten kalkigen Himmel. Das Licht der Morgendämmerung schimmerte am Rand des Dschungels, während die Welt ringsum noch in tiefem Schatten lag. Zwei Eisvögel flogen über ihr dahin. Hundert Meter weiter den Fluss hinauf planschten Krabben fressende Makaken im seichten Wasser und feierten lärmend den Diebstahl ihres Handspiegels, den sie ihr irgendwann in der Nacht aus ihrer Tasche gestohlen hatten.
    Mabel hielt sich die Nase zu und tauchte im schlammigen Wasser unter. Ihr dunkles Haar schwebte um sie herum wie eine Tintenwolke. Sie fuhr mit den Fingern hindurch, um es zu entwirren und Blätter und Erde daraus zu entfernen.
    Der Tag hatte um 6.45 Uhr mit dem Appell begonnen. Bong, der Kommandeur ihrer Einheit, war kurz zuvor herumgegangen und hatte die Schlafenden persönlich geweckt. Er hatte sie mit einem Stock angetippt, so wie man ein verletztes, müdes Pferd anstößt, um zu sehen, ob es sich vielleicht nicht doch noch bewegt. Als Nächstes nahm Mabel zusammen mit ihrer Gruppe kommunistischer Rebellen ein Frühstück aus Süßwassergarnelen und arak ein. In Gummistiefeln, Uniform und Schirmmütze mit rotem Stern reinigten die Guerillas dann eine Stunde lang ihre Waffen. Danach exerzierten sie. Schließlich traten einige der Männer einen kleinen Rattanball bei einem improvisierten sepak-raga -Spiel durch die Gegend. Andere lümmelten, verborgen hinter den Rauchschwaden eines Holzfeuers, auf einfachen Betten, die nur aus einem Holzrahmen und Gurten bestanden. Ein paar saßen auch unter den Bäumen und dösten, das Kinn in die Hände gestützt, vor sich hin.
    Da sie eine mobile Einheit waren, hatten sie nur einen behelfsmäßigen Unterstand errichtet. Ihre Hütten bauten sie aus Bambus. Bretter und Balken wurden mit Kokosfaser seilen zusammengehalten, und dieses Konstrukt wurde mit Palmwedeln getarnt, um sie vor feindlichen Flugzeugen zu verbergen. Wenn sie ihr Lager abbrachen, schnallten sie sich ihr Trinkwasser in Steinkrügen auf den Rücken. Keramikschüsseln und das Kochgeschirr aus Metall wurden in Ballen aus Reisstroh gesteckt, damit sie während des Marsches durch den Dschungel nicht aneinanderschlugen und so den Feind auf sich aufmerksam machten.
    Sobald alle zum Aufbruch bereit waren, wies Bong sie an, einen großen Kreis zu bilden. Sie waren eine zerlumpte Mannschaft unterernährter und verdreckter Gestalten. Ihre Haut war schorfig, Narben und Schussverletzungen zeichneten ihre Körper. Als Sanitätsoffizierin konnte Mabel die Läuse in den Säumen ihrer Kleidung fast schon krabbeln hören. Sie stand ganz vorn, zwischen den langen Schatten, und steckte sich die Haare mit dünnen Nadeln aus Holz auf. Den jägergrünen Sanitätskoffer hatte sie sich auf den Rücken geschnallt, ein in China gefertigtes Gewehr hing über ihrer Schulter. Sie wischte sich mit den Ärmeln den Schweiß von der Stirn. Ihre Haare waren schon jetzt feucht, und auch die Hitze begann bereits in ihre Haut zu schneiden.
    Bong begann jetzt damit, den monatlichen Sold von 26 Dollar pro Mann auszuteilen, den sie den Dorfbewohnern abgenötigt hatten. Dann setzte er, redegewandt wie er war, zu seinen üblichen Durchhalteparolen an.
    »Große gesellschaftliche Veränderungen«, begann er, legte dabei sein Sten-Gewehr ab und rückte seine Brille auf der Nase zurecht, »wie zum Beispiel die Abschaffung der Sklaverei,

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