Das Haus der tausend Blueten
Jackentasche und schob es sich in den Mund.
»Lass uns gleich zur Sache kommen«, sagte er und entblößte dabei lächelnd seine Zähne. »Wie ich gestern schon erwähnte, bin ich überzeugt davon, dass ich Mabel finden und sie nach Hause bringen kann.«
»Und wie willst du das anstellen?«
»Unsere Wissenschaftler haben einen batteriebetriebenen Funkempfänger entwickelt. Er entspricht von außen her den Geräten, die die Guerillas verwenden. Der Unterschied besteht darin, dass unser Modell ein stummes Signal sendet, wenn man es einschaltet. Dieses Signal kann von unseren Aufklärungsflugzeugen aufgefangen werden. Wenn wir auf diese Art und Weise erst einmal ihre Position geortet haben, werden wir eine Ladung betäubendes Bromidgas abwerfen, die Gruppe dann umstellen und festnehmen. Es wird dabei so wenig Gewalt wie möglich angewendet.«
Lu See sah Stan an. »Warum erzählst du mir das eigentlich? Das ist doch sicher alles geheim?«
»Wir brauchen deine Hilfe. Dieser Bong ist einfach nicht greifbar. Er bewegt sich im Dschungel wie ein Geist. Um ihm den Funkempfänger unterzujubeln, müssen wir sicherstellen, dass er von einer seiner Meinung nach absolut vertrauenswürdigen Quelle kommt: Und wer wäre da besser geeignet als Mabels Mutter?«
»Du willst, dass ich meine Tochter verrate?«
»Nein«, stöhnte er. »Ich will ihr das Leben retten! Solange sie mit Bong zusammen ist, wird sie sich niemals freiwillig stellen. Aber wenn wir so vorgehen wie eben beschrieben, können wir die Rebellen verhaften und dafür sorgen, dass Mabel nichts passiert.«
Er beobachtete sie aufmerksam.
Lu See schüttelte langsam den Kopf und sagte: »Du wirfst den Stein, aber du zeigst deine Hand nicht.«
»Wie bitte?«
»Und wenn der Stein sein Ziel verfehlt, dann wird man mir die Schuld geben, ist es nicht so?«
»Nein, so ist es nicht.«
Lu See sah völlig verunsichert zur Decke hinauf. »Ich weiß nicht …«
»Man wird sie als Terroristin hinrichten, wenn du das nicht tust.«
»Wie kannst du dir sicher sein, dass dein Plan funktioniert?«
»Das bin ich nicht, Lu See. Aber eine andere Möglichkeit sehe ich einfach nicht.«
»Was ist, wenn irgendetwas schiefgeht? Ich meine …«
Sie zögerte, wusste plötzlich nicht mehr, was sie noch sagen sollte.
»Du wirst mir einfach vertrauen müssen.« Er warf einen Blick über seine Schulter. Ein Reflex. Dann drückte er ihr einen Umschlag in die Hand. »Hier sind dreihundert malaysische Dollar. Ich möchte, dass du Folgendes tust …«
Lu See hörte zu und nickte, hörte weiter zu und nickte wieder. Als Stan ihr alles erklärt hatte, erhob sie sich von ihrem Stuhl und folgte ihm durch die Tür zurück in die Nachrichtenzentrale.
Unter den Postuhren stand, ihr den Rücken zukehrend, ein Mann in einem tadellos weißen Anzug. Eine seiner Schultern hing ein wenig herunter.
Lu See wurde urplötzlich von einer entsetzlichen Angst ergriffen.
Stan wollte sie mit einer sanften Berührung am Ellbogen aus dem Raum führen.
»Nein!«, flüsterte sie.
»Um Himmels willen! Was ist denn los?«, wollte Stan wissen.
»Er ist hier?«, zischte sie.
Der Mann im weißen Anzug hatte sich noch immer nicht umgedreht.
Stan zog Lu See aus dem Raum. Kurz darauf fand sie sich in dem düsteren Korridor wieder.
»Weißt du denn nicht, wer das ist?«, stieß sie hervor und starrte Stan in die Augen. »Das ist das Schwarzköpfige Schaf!«
Stan erklärte ihr mit leiser, beruhigender Stimme: »Er ist einer unserer wichtigsten Agenten.«
Lu See hatte das Gefühl, als würde ihr der Kopf platzen.
»Ich dachte, dass er tot ist!«
Stan zischte ihr mit einem Funkeln in den Augen zu, sie solle leiser sprechen.
»In der Zeitung hat gestanden, dass er von der MPAJA umgebracht wurde. Ich habe ihn selbst in Po On Village tot an einem Baum hängen sehen. Zuerst dachte ich zwar, dass es jemand anderes gewesen wäre, aber in der Zeitung …«
Lu Sees Stimme verlor sich
Stan schüttelte den Kopf. »Das war jemand anderes. Jemand, der nur so aussah wie er.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Der Mann, den du gesehen hast, war ein Doppelgänger. Wahrscheinlich irgendein Säufer oder Bettler aus dem Süden, den man dafür bezahlt hat, dass er sich für Woo Hak-yeung ausgibt. Sie haben ihn in einen weißen Anzug gesteckt und ihm Geld dafür gegeben, dass er in den Dorfladen hineinspaziert und behauptet, dass er das Schwarzköpfige Schaf sei. Der arme Teufel konnte ja nicht ahnen, dass die Dorfbewohner Blut sehen
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