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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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Haley and The Komets.
    »Okay, la«, sagte Dungeonboy leise in sich hineinlachend und dabei die Flammen betrachtend. »Heut kein Haare brennen!«
    »Nein, Gott sei Dank. Gute Nacht, Ah Fung.«
    »Gut-nackt, Missie.«
    Lu See zog sich in ihr Schlafzimmer zurück und legte sich für ein paar Minuten auf ihr Bett. »Total kaputt«, sagte sie laut und und vergrub dann ihr Gesicht in dem dicken weißen Kopfkissen.
    Das Restaurant zu führen zehrte ihre Kräfte nach und nach auf. Sie hatte keine Ahnung gehabt, wie viel Arbeit das alles bedeutete – der Alltagstrott, der aus Kochen, Putzen und Einkaufen auf dem Markt bestand. Damals, als Schülerin, hatte sie die Energie und das Durchhaltevermögen besessen, zehn Stunden am Tag ohne Pause zu lernen. Aber diese Art von Arbeit war einfach zermürbend. Sie war erschöpft, und ihre ständige Müdigkeit führte dazu, dass sie oft ungeduldig und streitlustig war. Manchmal war sie auch einfach nur frustriert darüber, dass sie keine akademische Laufbahn eingeschlagen hatte. All die guten Noten für nichts, dachte sie. Dennoch musste sie weitermachen, um über die Runden zu kommen.
    In letzter Zeit hatte sie morgens oft das Gefühl, nicht mehr in der Lage zu sein, zur Schweinegasse zu gehen, um frisches Fleisch zu kaufen. Sie verkraftete es einfach nicht mehr, die Kadaver im Freien hängen zu sehen, einige noch mit Hoden, sodass die Käufer wussten, was sie bekamen. Es war dann stets der Anblick ihrer Batikschürze an der Rückseite ihrer Tür, der ihr die Kraft verlieh, den Schmerz in ihren Eingeweiden zu ignorieren. Und bevor sie sich versah, rührte sie auch schon in einem Schmortopf, streute Rosmarin in die Brühe und freute sich darauf, den ersten Gast in ihrem Restaurant begrüßen zu dürfen.
    Sie schloss die Augen. Ihr Magen schmerzte noch immer. Sie war sich sicher, dass sie auch wieder leichtes Fieber hatte. Sie versuchte, eine einfache Yogaposition einzunehmen, was ihr jedoch nicht gelang, weil einer der Hunde ins Zimmer gelaufen kam und versuchte, zu ihr aufs Bett zu springen.
    »Nicht jetzt, Pebbles«, sagte sie zu der Hündin, die auf den Hinterbeinen stehend mit den Vorderpfoten am Moskitonetz kratzte. »Mami braucht Ruhe.«
    Gehorsam wedelte Pebbles mit dem Schwanz und begann dann, an den Beinen des Bettes herumzuschnüffeln, die, zum Schutz gegen Ameisen, in mit Wasser gefüllten Campbell’s-Suppendosen standen.
    Lu See fand jedoch keine Ruhe. Nur wenige Augenblicke später verließ sie das Bett wieder und ging zu ihrem Schreibtisch hinüber, wo sie einen Stapel Zeitschriften zur Seite schob und sich dann dem Brief zuwandte, den sie vor drei Tagen zu schreiben begonnen hatte. Es war ein Brief an Sum Sum. Nachdem Lu See Ende 1937 aus Cambridge zurückgekehrt war, hatte sie acht Jahre lang nichts von Sum Sum gehört. Erst nach dem Krieg hatte Sum Sums Bruder Hesha ihr einen Brief von ihrer Freundin ausgehändigt. Auf diese Weise hatte Lu See erfahren, dass Sum Sum in das Nonnenkloster Ani Trangkhung in Lhasa eingetreten war. Lu See hatte sich daraufhin bemüht, eine Einreisegenehmigung für Tibet zu bekommen. Das tibetische Außenministerium hatte sich jedoch konsequent geweigert, ihr das notwendige Visum auszustellen.
    Den Stift in der Hand, ließ sie ihre Augen langsam über die Seite wandern.
    Meine liebste Sum Sum,
    noch immer gibt es keine Nachricht von Mabel. Ich weiß, dass ich sie verletzt habe, als ich ihr von ihrer Herkunft erzählt habe, aber es ist mir einfach unbegreiflich, warum sie auf diese Art und Weise rebelliert und ihr Leben für eine Sache aufs Spiel setzt, die sie überhaupt nicht versteht. War ich vielleicht zu fürsorglich? Versucht sie sich dafür jetzt bei mir zu revanchieren, indem sie so töricht handelt? Jetzt weiß ich auch, wie sich meine arme Mutter gefühlt haben muss, als ich vor so vielen Jahren ohne ihr Wissen nach England abgereist bin.
    In Kuala Lumpur hat sich die Lage einigermaßen beruhigt, aber auf den Straßen gibt es noch immer Auseinandersetzungen, vor allem jetzt, da die neue Verfassung in Kraft getreten ist. Ich fürchte, dass es zwischen den Chinesen und den Malaien schon bald mehr als nur böses Blut geben wird.
    Auch mein Leben ist jetzt ruhiger geworden. Nachts komme ich mir oft wie ein kleines Samenkorn vor, das ganz allein keimen soll. Wenn ich nicht schlafen kann, lausche ich dem Knarren und Knarzen des Hauses. Es ist fast so, als würde es mit mir sprechen. Oft frage ich mich, ob es hier einen Geist gibt. Gott

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