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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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dreißig Metern Höhe durch das Geäst, um sich in Sicherheit zu bringen.
    Mabel warf sich instinktiv auf den Boden und presste sich an die Wurzel eines Baumes. Eine weitere Salve aus dem Maschinengewehr prasselte auf den Boden nieder, als das Flugzeug vom dichten Blätterdach des Dschungels abgefangen wurde und gezwungen war, den Kurs zu ändern.
    »Lauf!«, schrie jemand.
    Sie rannte los. Ihr Gesicht mit den Armen schützend lief sie im Zickzack, ohne auch nur wahrzunehmen, was um sie herum geschah. Dann stolperte sie, fiel, schlitterte bäuchlings noch ein Stück weiter und blieb schließlich atemlos liegen, während sie spürte, wie ihre Ellbogen im Schlamm versanken. Sie wollte aufstehen und weiterrennen, aber sie kannte diesen Teil des Dschungels nicht. Wenn sie ihre Deckung aufgab, lief sie Gefahr, erschossen zu werden. Sie kniff die Augen fest zusammen und begann zu beten.
    Ein leiser Ton, fast als würde jemand pfeifend einatmen, kam plötzlich vom Himmel. Sie spürte, wie der Luftdruck mit einem Mal fiel. Die Explosion, die folgte, schien ein Loch in die Atmosphäre zu reißen.
    Mabels Brust und Magen zogen sich zusammen, als Erde und Felsbrocken um sie herum explodierten. Sie wurde von einem Schauer aus Erdklumpen im Gesicht getroffen. Ein quälendes WHUMP zerriss die Luft, ihre Kochen wurden in ihrem Leib zusammengepresst. Dann wurde sie wie ein menschlicher Speer mit dem Kopf voran über den öligen Schlamm geschleudert.
    Erde regnete auf sie herab. Ein roter Nebel legte sich über ihre Augen. Sie versuchte sich zu bewegen, aber einige Teile ihres Körpers waren taub und wollten ihr nicht gehorchen. Schließlich gelang es ihr doch, sich auf die Knie zu hieven. Sie stellte fest, dass die Welt um sie herum völlig still geworden war, bis auf das Summen eines metallischen Geräuschs, das in ihrem Kopf ertönte. Sie rief etwas, konnte aber ihre eigene Stimme nicht hören. Mit dem Blut und den Eingeweiden ihrer Kameraden bespritzt schrie sie ihre Namen, aber niemand antwortete ihr. Das sirrende Geräusch in ihrem Kopf wurde immer lauter.
    Um sie herum steckten heiße Bombensplitter scharfkantig und zischend im Boden. Alles war mit Staub und Schmutz bedeckt. Ihr wurde bewusst, dass jeden Augenblick eine weitere Bombe abgeworfen werden konnte. Aber das war ihr egal. Sie wollte nur noch, dass sich der rote Nebel auflöste und dieses Geräusch in ihrem Kopf verstummte. Sie wollte, dass kein Blut mehr aus ihren Ohren sickerte.
    Und dann allmählich begann sich der Rauch zu verziehen. Das Gesicht eines Toten starrte sie an. Ein weißer Kieferknochen, die Zähne freiliegend. Sie hielt die Arme hoch, um sich zu schützen. Um sie herum schrien einige ihrer Kameraden mit offenem Mund, aber immer noch völlig lautlos. Menschliches Fleisch hing in blutigen Fäden von den Ästen. Verkohlte Bäume neigten sich und fielen dann in sich zusammen. Verstümmelte Vögel lagen brennend auf dem Boden, in ihrem Federkleid kochend. Eine entsetzliche Panik ergriff Mabel. Ihre Zähne begannen unkontrolliert aufeinanderzuschlagen.
    Sich den Staub aus den Augen wischend begann sie durch den Schlamm zu robben. Ihre Hand fand einen abgerissenen Fuß. Ein paar Meter weiter lag ein Mann. Sein Brustkorb war zerfetzt. Ein Teil seiner Wirbelsäule ragte heraus. Von den Knien abwärts war nichts mehr von ihm übrig.
    Dann erst sah sie die runde Brille.
    Sekunden später kam ein weiteres leises Pfeifen vom Himmel herab. Sie suchte nach Deckung. Die Druckwelle der Bombe ließ ihren Kopf nach vorn schnellen. Eine weiße Hitze durchbohrte ihre Schulter. Dann wurde der Wald schwarz. Zu schwarz, um noch etwas erkennen zu können.

8
    Ganze zehn Tage waren vergangen, seit Lu See den Kommunisten das Dutzend batteriebetriebener Funkempfänger übergeben hatte. Von Stan hatte sie in dieser Zeit nichts Neues gehört. Auch vom Maultier hatte es keinerlei weitere Nachricht gegeben. Sie war inzwischen das reinste Nervenbündel. Anstatt sich an der Unterhaltung zu beteiligen, saß sie still an der Registrierkasse des Il Porco und hörte zu, wie ihre Mutter und Onkel Hängebacke darüber sprachen, dass Malaysia sich immer mehr zum Schlechteren hin veränderte.
    »Ich meine, es ist die Art, wie sie mich manchmal ansehen«, sagte Lu Sees Mutter gerade zu Onkel Hängebacke, während sie ihren teh tarik tranken. Wieder einmal zog sie über ihre Mitmenschen her. »Genauso, wie sie Larry Talbot ansehen, weißt du, wenn sie merken, dass er sich gleich in den

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