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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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Wolfsmann verwandelt. Als ob ich irgendein Ungeheuer in mir tragen würde.«
    »Was erwartest du denn von einem Haufen debiler Satay -Fresser?!«, schrie Fishlips quer durch den Raum.
    »Hören Sie, Mr Foo! Das ist ein privates Gespräch«, antwortete ihm Lu Sees Mutter.
    » Hum gaa chaan!«
    »Diese Probleme werden noch schlimmer werden«, unkte Onkel Hängebacke. »Zwischen den Chinesen und den Malaien wachsen die Spannungen, aahh . Die Chinesen spüren jetzt die Auswirkungen von Artikel 153 der Verfassung, in dem die Malaien als ›besondere Klasse von Bürgern‹ bezeichnet werden. Singapur macht deswegen ein Riesentheater.«
    »Nun, es freut mich, dass du mit mir einer Meinung bist«, bemerkte seine Schwester, wobei sie sich jedoch alles andere als erfreut anhörte. Sie kratzte sich an den Handflächen.
    Nachdem Lu See das Restaurant um 23 Uhr geschlossen und mit einem Stock das eiserne Rollgitter heruntergezogen hatte, ging sie zur Registrierkasse, nahm aus dem Banknotenfach einen Zehndollarschein und steckte ihn in den Umschlag, auf dem Juru stand. Dann ging sie die Treppe hinauf und trat durch das Hundegitter. Sobald sie den Deckenventilator eingeschaltet, ihre Schürze abgelegt und an den Haken auf der Rückseite der Tür gehängt hatte, wurde sie von ihren sechs schwanzwedelnden und vor Begeisterung jaulenden Hunden begrüßt.
    Sie warteten auf ihr Futter. Lu See füllte die Näpfe in ihrer Küche mit Keksen und Speiseresten, zündete dann die Mückenspiralen an und stellte sie ans Fenster. Nachdem sie sich in der Eimerdusche rasch gewaschen hatte, versuchte sie, zwischen ihren angesammelten Besitztümern etwas Platz zu schaffen. Zwischen den hohen Stapeln von alten Büchern und Zeitungen standen ihr abgestoßener Fischlederkoffer, Mabels rostiges Hawthorne-Fahrrad, einige Töpfe und Pfannen aus Messing, eine Schneiderpuppe, Trittleitern aus Bambus, Kissen, Gehstöcke und Schirme, die mit einer Schnur zusammengebunden waren, mehrere Nähmaschinen, ein stabiler Boller wagen und eine umfangreiche Sammlung von Farben und Leinwänden.
    Das war alles Plunder, aber Lu See brachte es einfach nicht übers Herz, die Sachen wegzuwerfen. Seit sie im Krieg alles an die Japaner verloren hatte, war sie zu einer geradezu zwanghaften Sammlerin geworden. Nichts wurde weggeworfen, egal wie abgenutzt oder alt es auch sein mochte. Mit allem, was sie aufbewahrte, waren Gefühle und Erinnerungen verbunden, aber nachdem sie nun schon seit Jahren Dinge angehäuft hatte, wusste sie langsam nicht mehr, wohin damit. Dennoch war sie fest davon überzeugt, dass all diese Sachen eines Tages als Tauschobjekte ihren Wert haben würden.
    Sie starrte die Schließklappen ihres Koffers aus Fischleder an. Vor vielen Jahren hatte sie in ebendiesem Koffer etwas versteckt: einen Brief, den Sum Sum geschrieben hatte, bevor sie in Felixstowe an Bord eines Schiffes gegangen war, um England und damit auch Mabel und Lu See zu verlassen. Lu See hatte versprochen, diesen Brief niemals irgendjemandem zu zeigen, niemals irgendjemandem auch nur davon zu erzählen. Er war das Geheimnis von Sum Sum und Lu See. Der Koffer war seit vielen Jahren nicht geöffnet worden.
    Sie nahm die Schneiderpuppe, ignorierte ein weiteres Mal an diesem Tag den Schmerz in ihrem Magen, und versuchte, das unpraktische Ding in einen Schrank zu stopfen. Die Türen des Schranks hatten sich durch die Feuchtigkeit jedoch verzogen und sprangen deshalb immer wieder auf, so fest Lu See auch dagegendrückte.
    Genau in diesem Moment fiel wieder einmal der Strom aus. Nicht nur in ihrer Wohnung, sondern in der ganzen Umgebung. Straßenlampen, Gebäudebeleuchtungen, Laternen − alles erlosch. Von plötzlicher Dunkelheit umgeben suchte Lu See sich ihren Weg an der Wand entlang, stieß dabei gegen alle möglichen Dinge, tastete sich voran wie ein Wels mit seinen Barthaaren am Grund eines Flusses.
    »Dungeonboy!«, rief sie die Treppe hinunter in die Dunkelheit hinein.
    » Haak mung mung, haak mung mung! Es sehr dunkel!«, schrie er zurück, bevor er wieder ein Doris-Day-Lied anstimmte.
    »Holst du bitte ein paar Kerzen?«
    Er sang ein Kauderwelsch von durcheinandergewürfelten Textzeilen.
    »Sie müssten irgendwo in der Küche sein, wahrscheinlich in der Schublade bei den Essstäbchen!«
    Bald darauf steckte Dungeonboy seinen Kopf zur Tür herein. Er hatte die Kerzen gefunden und drei davon angezündet. Lu See setzte Batterien in ihr Radio ein. Der Sender spielte gerade einen Song von Bill

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