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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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Seite. »Nun, was sagst du dazu, Lu See?«
    Sie grub sich ihre Nägel in die Handflächen. Lange Zeit sagte sie kein Wort. »Ich glaube, dass ich es gar nicht wissen will. Was auch immer mit mir los ist, ich will es lieber nicht erfahren.«
    »Oft ist es die Ungewissheit, die die Menschen noch kränker macht«, sagte Dr. Ralph. »Die Sorge wächst und wächst. Ich kann Ihnen Seelenfrieden verschaffen.«
    Lu See holte tief Luft: »Und was ist, wenn es eine schlechte Nachricht ist? Wie soll mir das dann Seelenfrieden verschaffen?« Sie starrte ihre Mutter an, ihre Frage richtete sich aber an den Arzt.
    »Nun, an diesem Punkt kommt dann die Medizin ins Spiel.« Seine Stimme klang beruhigend. »Bitte. Fahren Sie mit mir in die Klinik.«
    Er breitete seine Hände aus, die Handflächen hielt er dabei nach oben gerichtet. »Kommen Sie, liebe gnädige Frau«, sagte er und verlagerte sein Gewicht nach vorn.
    Lu See folgte dem Arzt die Treppe hinunter und dann auf die helle Macao Street hinaus. Es war später Nachmittag. Der Muezzin rief die Gläubigen gerade zum Asr- Gebet. Lu See murmelte leise eine Beschwörungsformel vor sich hin. Kinder mit nacktem Oberkörper spielten mit einem Rattanball. Sie rannten im Kreis herum und jagten dem Sonnen licht hinterher. Zum ersten Mal seit Jahren hatte Lu See Angst vor dem, was die Zukunft für sie bringen mochte.
    Sie stieg zu Dr. Ralph ins Auto. Zwanzig Minuten später betraten sie sein Büro, und er bat sie, auf einem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Sie saß still und angespannt da.
    Er breitete eine Reihe von Schaubildern auf seinem Schreibtisch aus. Es handelte sich um anatomische Darstellungen des menschlichen Körpers, auf denen die Speiseröhre, der Magen, der Dick- und der Dünndarm, Rektum und Anus zu sehen waren. Die Hauptorgane wie Herz, Lunge und Leber waren rot dargestellt. Die Eingeweide waren grün schattiert.
    Lu See wandte den Blick zur Decke, so als hätte sie dort gerade etwas außerordentlich Interessantes entdeckt. Sie war so nervös, dass sie dem Arzt einfach nicht mehr in die Augen sehen konnte.
    »Wenn ich Sie untersucht habe, werden wir eine genauere Vorstellung davon haben, was Ihnen fehlt. Zuerst werden wir Ihr Blut und Ihren Urin auf Anzeichen für eine Anämie oder eine Entzündung untersuchen. Danach können wir alles besprechen.«
    Er führte sie in einen kleinen Behandlungsraum, wo eine Assistentin neben einer Untersuchungsliege bereits auf sie wartete. Auf Metalltabletts lagen medizinische Instrumente aufgereiht.
    Nach etwa einer Stunde sagte Dr. Ralph: »Lassen Sie uns in mein Büro gehen und die Ergebnisse besprechen.« Seine Stimme klang ruhig.
    Lu See nahm auf demselben Stuhl wie zuvor Platz.
    »Was ich Ihnen jetzt gleich sagen werde, hört sich vielleicht etwas kompliziert an.« Er holte Luft und rückte seinen Kneifer zurecht. »Unsere Untersuchungen bestätigen, dass Sie an einer Anämie leiden, was wiederum darauf hindeuten könnte, dass Sie Darmblutungen haben. Ich möchte aber erst noch die Ergebnisse des Urintests abwarten, um das zu bestätigen. Wir werden noch einige weitere Untersuchungen vornehmen, aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass Ihre Symptome auf eine überaus ungewöhnliche Krankheit hindeuten.«
    Lu See bekam einen trockenen Mund. »Ist es Krebs?«
    Dr. Ralph runzelte die Stirn. Sie wartete auf seine Antwort, voller Angst, seine Worte könnten sie in zwei Teile zerreißen.
    »Im gegenwärtigen Stadium würde ich das verneinen. Aber ich kann es natürlich auch nicht völlig ausschließen.« Er presste seine Lippen zu einer grimmigen Linie zusammen. »Allerdings deuten die Bauchkrämpfe, die Fieberschübe, der Gewichtsverlust und die Übelkeit auf Geschwüre in Ihren Eingeweiden hin. Diese Geschwüre fressen sozusagen Löcher in ihren Verdauungstrakt, was wiederum zu Fisteln und Abszessen führt.« Er nahm eine Akte in die Hand und sah Lu See dann über seinen silbernen Kneifer hinweg an. »Wie ich dem Arztbericht Ihres Klinikaufenthalts im letzten Jahr entnehme, wurde bei Ihnen Zöliakie diagnostiziert, also eine Verdauungsstörung, die durch eine Allergie gegen Gluten verursacht wird.« Er faltete die Hände. »Ich jedoch bin der Meinung, dass Sie an einer fortgeschrittenen Form von Morbus Crohn leiden.«
    Lu See starrte ihn an. Von einer solchen Krankheit hatte sie noch nie etwas gehört. »Und was heißt das?«
    Der Arzt zog ein Taschentuch aus seiner Tasche und tupfte sich das spitze Kinn ab. »Das heißt,

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