Das Haus der tausend Blueten
ziemlich erfreulich.«
»Erfreulich?«
»Ja.« Lu See griff über ihren Koffer hinweg und nahm eine Landkarte in die Hand.
»Was ist das?«, fragte Mabel.
»Eine Karte von Indien.«
»Um Himmels willen! Das sehe ich doch. Aber wozu brauchst du sie? Hast du vor, nach Indien zu fahren?«
»Nicht nur ich. Du wirst mich begleiten.« Lu See drehte sich zu Mabel um. Sie strahlte übers ganze Gesicht.
»O Gott! Ich kenne diesen Gesichtsausdruck bei dir. So ein Gesicht machst du immer, wenn du irgendetwas Verrücktes vorhast. Was wollen wir denn in Indien?«
»Das erzähle ich dir später. Geh und pack deine Koffer. Vergiss nicht, eine dicke Jacke und warme Unterwäsche einzupacken.«
Mabel rührte sich nicht vom Fleck. Stattdessen musterte sie ihre Mutter nervös. »Was zum Teufel geht hier vor?«
»Wenn mir die Ärzte hier nicht helfen können, dann werde ich mir eben selbst helfen müssen.«
»Dir selbst helfen? Wovon in aller Welt sprichst du eigentlich?«
»Ich spreche von einer Medizin, Mabel. Ich werde mich auf die Suche nach einem Heilmittel machen.«
An diesem Abend war es im Restaurant sehr ruhig.
Lu See und Pietro saßen gerade bei einer Kanne Tee und plauderten miteinander, als sie ein leises Klopfen am Eisengitter hörten. Stan Farell trat, seine Polizeimütze unter den Arm geklemmt, zögernd über die Schwelle.
»Verzeihung, dass ich störe. Ich wollte nur sagen, dass sich die Lage wieder beruhigt hat.«
Lu See blies den Schaum von ihrem Tee. »Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du nie wieder einen Fuß in mein Restaurant setzen sollst.«
»Ja, richtig. Dann sollte ich jetzt wohl besser wieder gehen.«
»Nein, setz dich«, wies Lu See ihn an.
Stan tat, wie ihm geheißen. Vornübergebeugt saß er da. Die Hände hatte er zwischen seine Knie geschoben.
Sie funkelte ihn an. »Ich habe dir keineswegs verziehen.«
»Das weiß ich.«
»Und ich werde dir auch niemals verzeihen. Du bist ein hinterhältiger und heimtückischer Bastard!«
Pietro strich sich die Augenbrauen mit dem Daumen glatt. »Vorsicht, Schätzchen. Kleine Jungs lieben es, von kleinen Mädchen beleidigt zu werden. Sie haben dann das Gefühl, geliebt zu werden.«
»Du bist ein bösartiger und verschlagener Kerl!«
»Das mag durchaus richtig sein«, sagte Stan. »Aber mir ist wichtig, dass du eines erfährst: Man hat mich genauso getäuscht wie dich. Ich wusste nichts von der Bombe. Ich hatte niemals vor, dich oder Mabel zu verletzten.«
Sie hob warnend den Zeigefinger. Ihre Augen bohrten Löcher in sein Gesicht. »Was auch immer du sagst, es wird nichts zwischen uns ändern. Das ist dir doch bewusst, oder?«
Stan zog seine Lippen unbehaglich über seine hervorstehenden Zähne.
»Und du, Pietro, dich habe ich vorhin davor bewahrt, verprügelt zu werden. Dieser Mob hätte dich übel zugerichtet!«
Pietro schob seinen zarten Unterkiefer nach vorn. »Ach, Schätzchen, du kannst ja so melodramatisch sein.«
»Halt den Mund!«
Beide Männer fuhren zusammen.
Lu See hielt ihren Zeigefinger weiterhin erhoben wie eine Waffe. »Und da ihr beide mir etwas schuldig seid, werdet ihr jetzt auch etwas für mich tun.«
»Werde ich?«, jammerte Pietro.
»Werden wir?«, fragte Stan.
»Ihr werdet!«
»Was«, fragten sie unisono und schluckten.
»Pietro und ich werden uns in ein kleines Abenteuer stürzen.«
»Ein Abenteuer?«, rief Pietro sichtlich erschrocken. »Um Himmels willen! Wo willst du denn hin?«
»Du wirst mich nach Dharamsala in Indien begleiten.«
Pietro wurde blass. »Nach Indien? Mit all den Bettlern, die man schon aus zehn Metern Entfernung riechen kann?«
»Ja, Pietro. Du wirst für mich deinen ganzen diplomati schen Einfluss geltend machen müssen. Und du, Stan, du hast ein Jahr in Bombay gelebt. Du hast doch bestimmt noch einige Kontakte. Du wirst für mich herausfinden, wie wir am besten von Madras nach Himachal Pradesh gelangen.«
»Wann soll es losgehen?«, fragte Stan.
»Nächste Woche«, sagte Lu See.
»Oh, bei Edesias Klistier! Wie soll mein Magen nur mit all diesen Currys fertigwerden?«, jammerte Pietro. »Was ist mit meinen Darmwinden?«
»Steck dir einen Korken rein«, empfahl Stan.
»Oh, brah-haaa, sehr spaßig, Stan, wirklich sehr spaßig.«
»Was willst du dort, Lu See?«, wollte Stan wissen.
»Das, was ich schon die verdammten letzten zwanzig Jahre hätte tun sollen: Sum Sum finden.«
»Wie kommst du darauf, dass sie in Dharamsala ist?«
»Weil dort die Exilregierung des Dalai Lama
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