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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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ihren Sitz hat. Wenn ich Sum Sum irgendwo finde, dann im Geden-Choezon-Asyl für verbannte Nonnen.« Lu See ging zum Telefon und nahm den Hörer ab. »Aber es bleibt noch eine Sache zu tun, bevor wir aufbrechen. Ich werde mit Mabel nach Juru fahren. Es gibt dort etwas, was sie unbedingt sehen soll.«
    Lu Sees Mutter, die dem Gespräch gelauscht hatte, meldete sich plötzlich zu Wort. »Juru? Was in aller Welt willst du in Juru? Cha! Wenn du mich fragst, ist das jetzt nur noch ein Ort für die unteren Schichten.«
    »Nun, sagen wir einfach, ich habe dort noch etwas zu erledigen.« Lu See wählte die Nummer des Krankenhauses und bat darum, Mabels Chef, den gut aussehenden Chirurgen, sprechen zu dürfen. Sie sagte ihm, dass ihre Tochter den nächsten Tag freinehmen würde. Er erhob keine Einwände.

17
    Am Bahnhof von Juru mieteten sich Lu See und Mabel zwei Fahrräder und nahmen die Straße nach Po On Village.
    Die Sonne brach durch die Wolken, als sie über die Landstraßen rollten, an langbeinigen Hühnern und alten Bauersfrauen vorbei, die ihre Sarongs über der Brust zusammengebunden hatten. Sie fuhren an kleinen Wasserläufen entlang, radelten durch ein Mangowäldchen, wo der süße Duft des Morgenregens und der herabgefallenen Früchte in der Luft hing. Kräftig in die Pedale tretend kämpften sie sich einen Hügel hinauf, fuhren an einer Gruppe von Affen und einem streng dreinsehenden Wasserbüffel mit einem gleichermaßen streng dreinsehenden Vogel auf seinem Rücken vorbei. Die Lenkergriffe fest in den Händen, holperten sie dann durch ein Zuckerrohrfeld, das in der Hitze vor sich hin welkte, bevor sie anhielten, um sechs barfüßigen Jungen dabei zuzusehen, wie sie im Schatten sepak manggis spielten.
    Mabels Räder krachten immer wieder in Schlaglöcher. Sie fuhr mitten durch eine Pfütze und ließ mit einem ausgelassenen Schrei das aufspritzende Wasser auf ihre Knöchel regnen.
    Als sie Po On Village erreichten, stellten sie erstaunt fest, dass sich das Dorf überhaupt nicht verändert hatte. Der Dorfplatz lag bis auf einige Hunde und vereinzelte Hühner verlassen vor ihnen. Hinter dem chinesischen Tempel gab es noch immer den alten Dorfladen, die Holzhandlung und das Geschäft des Moskitonetzmachers. Es war, als hätten sie eine Zeitreise in die Vergangenheit unternommen.
    »Sagst du mir jetzt, warum wir hierhergekommen sind?«, fragte Mabel.
    »Das wirst du schon noch sehen«, erwiderte ihre Mutter.
    Sie fuhren auf das große Haus zu, das einmal ihrer Familie gehört hatte.
    »Willst du mit mir zu unserem ehemaligen Zuhause?«
    »Nein.«
    Mabels Neugier war jetzt vollends geweckt. Gerade als sie sich fragte, wohin Lu See sie bringen würde, hielt diese vor einem drei Meter hohen Holztor an. Ein Engländer mit Buschhut kam aus einem Pförtnerhaus, um sie zu begrüßen.
    Mabel fiel auf, dass sein Gesicht unter dem Hut so glänzend emailliert aussah wie die glasierte Haut einer gebratenen Ente – es war das von der tropischen Sonne gebräunte Gesicht eines Plantagenbesitzers. Er hatte sich einen Bambusstock wie ein Offizierstöckchen unter den Arm geklemmt. Beide Frauen strichen sich die von der Fahrt in Unordnung geratenen Haare glatt.
    »Mabel, darf ich dich mit Mr Charlie Fosler bekannt machen?«
    Mabel stieg von ihrem Rad ab und schüttelte dem Mann die Hand.
    »Charlie leitet hier eine der größten Gummiplantagen.«
    »So ist es, meine Damen«, sagte der Mann mit barschem Yorkshire-Akzent.
    Nachdem den Formalitäten damit Genüge getan war, geleitete sie Charlie über ein paar ausgetretene steinerne Stufen und dann über eine weite Wiese auf ein Haus zu, das vor einem Wäldchen von Narra- Bäumen stand.
    Unter den Narras schimmerten smaragdgrüne Streifen Moos im Sonnenlicht. Charlie bat sie in sein Haus und dann weiter ins Wohnzimmer. Als sie eintraten, erhob sich ein anglikanischer Priester aus einem Sessel. Er war Ende fünfzig, hatte graues Haar und rote Wangen.
    »Hallo, Lu See«, rief der Priester sichtlich erfreut.
    »Pater Louis! Wie schön, Sie wiederzusehen.« Lu See legte ihren Arm um Mabels Schulter. »Darf ich Ihnen meine Tochter Mabel vorstellen?«
    »Ein aufregender Tag, nicht wahr?«, sagte Pater Louis. Seine langen Finger schlossen sich um Mabels ausgestreckte Hand.
    »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen«, antwortete die junge Frau höflich. »Aber ich weiß eigentlich gar nicht, worum es geht.«
    »Das war auch so beabsichtigt. Ihre Mutter hat diesen Moment schon seit Jahren

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