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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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ist?«, rief ihre Mutter.
    »Genau deshalb tun sie es doch! Sie wollen die Malaien provozieren.«
    Lu See steckte ihren Kopf zum Fenster hinaus, stellte sich auf die Zehenspitzen, um das Meer von dahinziehenden Leibern überblicken zu können. So blieb sie stehen. Der aufdringliche Geruch verschwitzter Körper stieg ihr in die Nase und dann ein Geruch, der noch weit beunruhigender war: der ölige Gestank von Fackeln aus Lumpen, die man inzwischen entzündet hatte.
    Es waren bereits erste Zeichen der Zerstörung zu sehen. Hier waren Karren umgeworfen, dort Laternen und Fenster eingeschlagen worden. Die meisten Passanten waren unterdessen voller Angst geflohen, ein paar von ihnen aber standen noch wie versteinert da. Einige der Straßenverkäufer drängten sich wie eine Herde verschreckter Schafe unter einem Verkehrspodium am Ende der Straße zusammen und starrten mit aufgerissenen Augen die tobende Menge an. Als diese immer dichter wurde, drängten sie sich noch enger aneinander.
    In diesem Moment sah Lu See Pietro. Einige der Demonstranten zerrten ihn aus seinem Auto und stießen ihn hin und her. Lu See sah auch, dass ihr muslimischer Nachbar Abdul bin Kassim misshandelt wurde. Das Johlen der Menge in den Ohren, schob Lu See das Eisengitter nach oben und stürzte nach draußen. Sie riss irgendjemandem eine brennende Fackel aus der Hand und schwenkte sie wild hin und her, um sich einen Weg durch den Pöbel zu bahnen.
    »Wagt es ja nicht, ihn anzufassen!«, schrie sie.
    Ein Chinese umklammerte mit seiner Faust Abdul Bin Kassims fest zusammengerollten Bart, ein anderer zerriss seinen songkok .
    »Was glaubt ihr, macht ihr hier?«, fauchte Lu See.
    Der Kerl zögerte. »Wir erteilen diesen Malaien eine Lektion!«
    »Dieser Mann ist mein Nachbar, und er ist mein Freund. Er lebt dort in dem Haus neben meinem Restaurant!«
    »Restaurant?« Einer der Männer ließ seinen Blick irritiert umherwandern. Er war um die dreißig und hatte Beine so dünn wie Streichhölzer. Er zeigte auf das Il Porco. »Das ist Ihr Restaurant?« Er schwankte vor Überraschung.
    »Bitte! Seht euch nur den Schaden an, den ihr bereits angerichtet habt.«
    »Die haben es herausgefordert«, erwiderte ein Mann mit einem Pickel auf der Nase.
    »Die Einzigen, die das herausgefordert haben, sind die Politiker. Sie sind diejenigen, die dafür verantwortlich sind, wie die Konzessionen vergeben werden.« Sie richtete sich auf. »Wenn ihr Ärger mit meinem Freund Abdul bin Kassim anfangen wollt, dann solltet ihr euch das besser noch einmal überlegen. In all den Jahren, die ich jetzt schon hier lebe, hat er sich noch kein einziges Mal über mein Restaurant beschwert, obwohl es bei mir vor allem Gerichte mit Schweinefleisch gibt. Er hat mir kein einziges Mal gesagt, dass ich von hier verschwinden soll.« Die Hitze der Fackel ließ ihr Gesicht glühen. »Was zum Teufel wollt ihr eigentlich? Wollt ihr wirklich Rassenunruhen?«
    »Wir wollen, dass die Regierung auf unsere Probleme aufmerksam wird. Die Malaien haben so viele Privilegien, und …«
    »Und deshalb brennt ihr ihre Geschäfte nieder?! Das ist doch Schwachsinn«, rief sie. »Legt eure parangs weg. Wenn ihr gehört werden wollt, dann demonstriert vor dem Parlamentsgebäude. Aber lasst uns in Ruhe! In dieser Straße hier sind wir alle Malaysier. Wir sind alle gleich!«
    Der Mann mit dem Pickel auf der Nase senkte den Blick und starrte stirnrunzelnd auf seine knochigen Füße.
    Lu Sees Augen funkelten. »Wer ist eigentlich für diesen dämlichen Pöbel verantwortlich? Was ihr hier macht, ist nichts anderes als sinnlose Zerstörung. Ihr benehmt euch wie Tiere. Bald werdet ihr mit Klauen und Zähnen übereinander herfallen. Du«, sagte sie zu dem Mann mit den Streichholzbeinen. »Was hast du für einen Beruf?«
    »Ich bin Elektriker.«
    »Ist das, was ihr hier tut, ein Spiegel dessen, wie du lebst?«
    »Wie ich lebe? Ich lebe ein überaus zivilisiertes Leben«, antwortete er sichtlich gekränkt.
    »Mit wem lebst du zusammen? Mit deiner Mutter? Deiner Frau? Deinen Kindern?«
    »Mit meiner Frau, und ich habe zwei Töchter.«
    »Was würden sie sagen, wenn sie dich jetzt sehen könnten? Wie du auf arme, unschuldige Leute losgehst?«
    Der Mann betrachtete jetzt ebenfalls stirnrunzelnd seine Füße.
    »Ich bin mir sicher, dass sie das sehr traurig machen würde. Ein intelligenter Mensch wie du …« Lu See funkelte ihn wütend an.
    »Es tut mir leid«, sagte er zu seinen Füßen. Einige der anderen Männer starrten

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