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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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nichts, tut mir leid.«
    Sie betraten den Hof von Christ College durch das große Tor und begaben sich sogleich in die Mensa, wo sie sich in bequeme lederne Armsessel fallen ließen.
    »Fühlst du dich nicht wohl, Würstchen?«
    »Geht mir gut, Pietro. Kein Sorge.«
    Sum Sum holte tief Luft und spürte dabei, wie sich ihre Schultern entspannten.
    Ich habe mir das nur eingebildet.
    Im Stillen wiederholte sie diese Worte immer wieder. Der Satz hallte leise in ihrem Kopf wider, hörte sich dabei an wie Wellen, die ans Ufer klatschen.
    »Vielleicht brauchst du einfach nur eine kleine Erfrischung«, sagte Pietro. Er läutete ein silbernes Handglöckchen, das ein helles Klingeln von sich gab, woraufhin einer der Collegediener erschien.
    »Zweimal Fruchtsaft mit Limette, Hargreaves, und einen Teller mit deinen umwerfenden Keksen, bitte.« Er wartete, bis Hargreaves den Raum wieder verlassen hatte. »Hast du gesehen, was er für ein Gesicht gemacht hat? Es scheint ihm zu missfallen, dass ich dich hierher mitgebracht habe. Hargreaves ist auch nicht anders als all die anderen hier im College. Sie lehnen mich ab, weil ich so bin, wie ich bin. Nur Illingworth hat Verständnis für mich. Wir Außenseiter müssen zusammenhalten, ist es nicht so?«
    Sum Sum schwieg. Stattdessen ließ sie ihren Blick langsam über die Wände schweifen, bewunderte die elegante Nussbaumtäfelung.
    Ein paar Minuten später sagte Pietro, während er an seinen Getränk nippte: »Bestimmt vermisst du sie.«
    »Wen?«
    »Deine Familie in Tibet.«
    »Ja. Ja, das tue ich. Vielleicht ich gehe eines Tages nach Tibet zurück. Ich muss mit Lu See darüber sprechen.«
    Pietro schüttelte den Kopf. »Ich würde meine Familie niemals verlassen.«
    »Aber du doch hier in Cambridge. Also hast du dein Mutter doch auch verlassen, oder etwa nicht?«
    »Meine Eltern sind beide gestorben, als ich zwölf war.«
    Schweigen.
    Pietro schob seinen fein geschnittenen Unterkiefer nach vorne. »Das ist genau der Moment in unserer Unterhaltung, wo du zerknirscht dreinsehen und dich wortreich entschuldigen solltest.«
    »Tut … tut mich leid, Pietro.«
    Er beugte sich zu ihr herüber und nahm ihre Hand. »Das konntest du doch gar nicht wissen, Würstchen. Das alles ist so schrecklich makaber. Warum, glaubst du wohl, bleibe ich während der vorlesungsfreien Zeit immer hier in Cambridge? Ich fahre nur einmal im Jahr, zu Weihnachten, nach Italien, um meine noch lebenden Verwandten zu besuchen. Die Italiener sagen, wenn man seine Familie verlässt, ist das ein wenig so, als würde man sterben.« Er legte seinen Zeigefinger an sein Kinn, als wäre ihm gerade etwas Wichtiges eingefallen. »Da wir schon vom Sterben und in den Himmelkommen sprechen, lieber Samson – du musst einfach noch ein anderes Rezept von mir probieren. Lass uns gehen und ein wenig in Illingworths Speisekammer stöbern. Sollen wir?«
    Er nahm aus dem Speiseschrank einen Riegel Rowntree-Schokolade und eine Dose gesüßte Kondensmilch, dann zupfte er aus dem Rosmarin, der auf dem Fensterbrett stand, ein paar Zweige. Er legte alles auf die Küchenanrichte. »Dieses kulinarische Triumvirat wird dir für den Rest deines Lebens gut dienen, Würstchen. Stell dich auf eine große Überraschung ein!«
    Nachdem sie sich Schürzen umgebunden hatten, verrührten sie Zucker, Mehl, Butter und Ei miteinander. »Das wird der Mürbeteig«, erklärte Pietro, rollte den Teig auf einem Kuchenblech aus und schob ihn in den Ofen. Während der Teig buk, vermischten sie eine Tasse Kondensmilch mit Zuckerrübensirup, eine Zutat, die Sum Sum nicht kannte, und fügten den Rosmarin hinzu. Das Ganze ließen sie mit Butter in einem Topf so lange köcheln, bis es karamellisierte. Anschließend gaben sie die Karamellmasse auf den gebackenen Mürbeteig und ließen sie fest werden.
    »Am Schluss wird noch die Schokolade klein gehackt und in einer Schüssel über dem Wasserbad erhitzt. Dann über den Mürbeteig geben und abkühlen lassen. Und Hokuspokus, dreimal schwarzer Kater: Rosmarin-Schokoladen-Frollino.«
    Zwei Minuten später probierten sie die Kekse. Sum Sum hatte in ihrem ganzen Leben noch nie etwas so Köstliches gegessen.
    »Also, ich wette, dass dein Hesha Mühe hätte, das zu übertrumpfen.«
    Sum Sum musste ihm recht geben. Sie notierte sich das Rezept hastig in ihrem brandneuen blauen Schreibheft. Als sie ihren Stift weglegte, fragte Pietro, was sie da aufgeschrieben habe. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und straffte

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