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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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stolz die Schultern. »Ein Tag, vielleicht in zehn oder zwanzig Jahre, ich werde eröffnen tolle Restaurant.«
    »Wo?«
    »Vielleicht in Malaysia. Malaien und Chinesen lieben Nudeln. Vielleicht sogar in Tibet.«
    Pietro schlug sich mit der flachen Hand auf seine milchweiße Stirn. »Ein Mädchen aus Tibet, das in einer Trattoria im Dschungel Pasta kocht? Was kommt als Nächstes? Mussolini, der im Tütü eine Rede an die Nation hält?«
    Als Lu See in London vor der Ladenzeile in der Nähe der U-Bahn-Station Angel aus dem Taxi stieg, fiel ihr sofort auf, dass irgendetwas nicht stimmte. Das schwarze Vitrolite-Glasschild mit der scharlachroten Aufschrift Conrad P. Hughes – Orgelspezialisten über dem Haupteingang war verschwunden. Außerdem waren die Fenster und der Eingang des ehemaligen Ladengeschäfts mit Brettern vernagelt.
    Sie ging in den Lebensmittelladen nebenan und fragte einen alten Mann mit runzeligem, finsterem Gesicht, was mit der Orgelbauwerkstatt geschehen sei.
    »Die sind umgezogen«, sagte er.
    »Wohin?«
    Er nannte ihr die Adresse eines Lagerhauses in der Nähe der Themse.
    Sie fuhr mit demselben Taxi, mit dem sie gekommen war, durch eine Reihe heruntergekommener Straßen, vorbei an ungepflegten Docks. An der angegebenen Adresse angekommen musste sie feststellen, dass es sich dabei um ein verlassenes Lagerhaus handelte. Aus einem Schornstein in der Nähe kroch grauer Rauch und überzog den Himmel mit schmutzigen Schlieren. Der penetrante Gestank von altem Fisch hing in der Luft.
    Lu See stand da und starrte auf das Schild mit der Aufschrift Konkursverwaltung . Sie ballte und öffnete mehrmals ihre Fäuste. Wie leichtgläubig und dumm sie doch gewesen war. Ein Gefühl der Leere und des Versagens breitete sich in ihrem gesamten Körper aus.
    Wenigstens war niemand da, der sie weinen sah.

12
    Lu See schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht.
    Die Realität war zu schmerzhaft, um sie begreifen zu können. Conrad P. Hughes, der anscheinend schon seit Langem kurz vor der Insolvenz gestanden hatte, hatte sich mit ihrem Geld auf und davon gemacht. Ein paar Stunden zuvor hatte sie auf dem Polizeirevier von Islington Anzeige erstattet. Es war das erste Mal gewesen, dass sie eine englische Polizeiwache oder überhaupt irgendeine Polizeistation betreten hatte. Der diensthabende Sergeant hatte ihr gesagt, dass er leider nicht viel für sie tun könne, vor allem dann nicht, wenn Mr Hughes inzwischen das Land verlassen habe.
    »Wohin könnte er sich abgesetzt haben?«, hatte sie den Polizisten gefragt.
    »Ich nehme an, in eine der unbedeutenden Kolonien«, hatte dieser erwidert. »Tanganjika ist für solche Vorhaben in letzter Zeit sehr beliebt.«
    Lu See ließ ihre Hände wieder sinken. »Was zum Teufel soll ich jetzt nur machen?«
    Adrian und Sum Sum zuckten ratlos mit den Schultern. Sie saßen im Pickerel in der Magdalene Street. In dem Pub mit der niedrigen Decke hing der schwere Geruch von abgestandenem Bier und Pfeifentabak.
    Lu See spießte mit ihrer Gabel ein Stück Stilton auf.
    »Ich dachte, dass du niemals wieder Stilton anrühren würdest«, sagte Adrian.
    »Ich bestrafe mich gerade.«
    Adrian trank einen Schluck von seinem Adams. »Du musst Zweiter Tante Doris schreiben und sie bitten, dass sie dir noch einmal Geld schickt.«
    Eine brennende Röte stieg Lu See ins Gesicht. »Das kann ich unmöglich tun.«
    »Warum nicht, meh ?«, fragte Sum Sum. »Zu stolz, um sie zu sagen, dass du Fehler gemacht?«
    Lu See schlug wieder die Hände vors Gesicht. »Versuch nicht, meine Gedanken zu lesen.«
    »Stimmt, lah . Ist sowieso nix drin.«
    Sum Sums Worte brachten Lu See wieder zum Lächeln. »Ich hätte schon an seinen zweifarbigen Schuhen erkennen müssen, dass Hughes ein Betrüger ist.« Sie wandte sich an Adrian. »Wie viel hast du auf der Bank?«
    »Nicht viel. Seit meinem Vater zu Ohren gekommen ist, dass ich Kommunist bin, hält er mich äußerst knapp. Mein monatlicher Zuschuss reicht gerade für mein Essen und für meine Unterkunft.«
    Der Gedanke an die ausweglose Situation ließ Lu See erschaudern. »Was soll ich nur machen? Wenn ich nicht, wie ich es versprochen habe, eine Orgel für die neue Kirche beschaffe, wird Zweite Tante Doris mich bestimmt nicht mehr unterstützen. Girton, die viele harte Arbeit, all meine Träume − ich werde mit eingekniffenem Schwanz nach Hause zurückkehren …« Ihre Stimme verlor sich.
    »Hör zu, Goosey. Ich werde mein Auto verkaufen. Es ist zwar eine ziemlich alte

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