Das Haus der tausend Blueten
Verbindung bringen könnte?«
»Die Kempeitai -Militärpolizei hat mich zu diesem Punkt bereits befragt, o-Oberst-sama .«
»Das ist mir durchaus bekannt. Aber ich finde es trotz alledem … sagen wir merkwürdig, das Sie die Woos in keiner Weise belastet haben. Gibt es nicht Gerüchte, dass sie in politische Verbrechen verwickelt sind?«
Lu See blinzelte. Sie wusste ganz genau, was für ein Spiel hier gerade gespielt wurde. Sie musste sehr vorsichtig sein.
»Der Streit meiner Familie mit den Woos gehört der Vergangenheit an. Mein verstorbener Mann war ein Woo. Es gibt keine Probleme mehr zwischen unseren Familien. Wie ich bereits sagte, sind die Woos treue Anhänger von Tenno Heika.«
»Ihr verstorbener Mann war ein Woo. Tatsächlich?«
»Ja, o-Oberst-sama .«
»Sie verbindet jetzt also ein freundschaftliches Verhältnis mit der Familie.«
»Seit unser Kind geboren ist, pflegen wir eine herzliche Beziehung.«
»Die Woos sehen Ihre Tochter also oft?«
Lu See lächelte mit ernsten Augen. »Nein.«
»Weil sie Ihnen noch immer nicht trauen, obwohl das Blut der Woos in den Adern Ihrer Tochter fließt. Woher wollen Sie wissen, dass die Woos Sie nicht belastet haben? Gewiss haben auch Sie sich irgendwann einmal über die hohen Lebenshaltungskosten oder die Wertlosigkeit unserer militärischen Ersatzwährung beklagt oder sich gar über Nippon-go lustig gemacht? Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Woos so etwas von Ihnen behaupten werden.«
»Wenn sie mich solcher Dinge beschuldigen, kann ich das reinen Herzens abstreiten.«
Er trank einen Schluck Whisky. Sein kahler Kopf glänzte im Schein der Kerzen. »Wenn Sie mir bestätigen, dass die Woos die Kommunisten oben in den Bergen finanziell un terstützen, erhalten Sie eine Belohnung. Tatsächlich wäre jede Information, die Sie über die genjumin liefern können, höchst willkommen. Ich würde mich durchaus erkenntlich zeigen. Ihre Tochter könnte neue Kleidung bekommen. Außerdem könnte ich ihr auch englische Canterbury-Kekse zukommen lassen. Sie mag doch Canterbury-Kekse, oder?«
Lu See spürte, wir in ihrem Inneren etwas zu beben begann. Die einzigen Süßigkeiten, die Mabel seit Beginn des Krieges gegessen hatte, waren Rambutans und Mangos, die sie vom Waldboden aufgesammelt hatten, und einmal im Jahr ein mit Palmzucker gebackener Geburtstagskuchen. Wie gern hätte sie sie mit einer Dose Canterbury-Kekse verwöhnt …
»Ich kann Ihnen leider nichts sagen, o-Oberst-sama .«
Er stellte seinen kristallenen Becher vorsichtig auf dem Tisch ab. Die Spitze seines schwarzen Schnurrbarts glitzerte feucht. Er beobachtete sie noch einige Sekunden, studierte ihren Mund und ihre Augen.
Dann winkte er sie, während er laut die Luft zwischen den Zähnen einsog, mit einer knappen Handbewegung davon. Sie war für diesen Abend entlassen.
Von dem Tag an, als Oberst Tozawa Tamarind Hill in Besitz genommen hatte, war Lu See gezwungen gewesen, in einem kleinen Haus im chinesischen Stil unten am Fluss zu leben. Das Haus war früher vom Aufseher der Gummiplantage bewohnt worden, bevor er von den Kempeitai verhaftet worden war. Da man ihr nur so viel mitzunehmen erlaubt hatte, wie sie tragen konnte, hatte sie ihren alten Koffer aus Fischleder mit all jenen Dingen vollgestopft, von denen sie geglaubt hatte, sie irgendwann eintauschen zu können, und hatte sich auf den Weg den Hügel hinunter gemacht.
Das Häuschen besaß einen kleinen steinernen Hof und ein ordentliches Dach aus Lehmziegeln. Es verfügte über zwei Schlafzimmer, eine Küche und eine windbrüchige Veranda, die eine Familie gelber Geckos beherbergte. Da das Haus keinen Stromanschluss besaß, mussten sie nach Einbruch der Dunkelheit Kerzen anzünden. Alles in allem war es ein nettes kleines Häuschen, umgeben von schattigen Bäumen und dem Gesang der Vögel, und es wehte hier unten stets eine frische Brise, sodass es nachts angenehm kühl war.
Ihre Mutter schlief in einem der Schlafzimmer und Onkel Hängebacke in dem anderen. Das bedeutete, dass Peter und James die Polsterbänke im Hauptraum beanspruchten, während sich Lu See und Mabel eine Matratze und ein darüber aufgespanntes kegelförmiges Moskitonetz in der Küche teilten. Vor dem Krieg hatte Onkel Hängebacke in Penang gelebt, aber sein Haus war den Luftangriffen der Japaner zum Opfer gefallen.
Auf der Veranda standen zwei Korbstühle, ein großer durchgesessener, der für Onkel Hängebacke reserviert war und in dem er seine Stumpen rauchte, und ein
Weitere Kostenlose Bücher