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Das Haus der Tibeterin

Titel: Das Haus der Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica Cesco
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das Bett, neigte sich zu mir, küsste mich unaufhörlich. Ich umfasste seine Hüften, seinen Rücken, fühlte ein völliges Verlöschen und zugleich ein Geborenwerden. Überwältigende Freude brach über mich herein, aus der tiefsten Quelle unmittelbaren Verstehens. Ich atmete den Geruch seiner Handflächen, seiner Lippen ein, unsere Herzen schlugen gleichzeitig. Wir zogen uns eilig aus, ohne uns voneinander abzuwenden. Ich knöpfte sein Hemd auf, löste mit drängenden Händen den Gürtel seiner Hose. Und dann legte er sich auf mich; ich fühlte, wie er in mich eindrang, und ich hörte mich aufstöhnen, spürte meine Zähne im Fleisch meines
Handrückens, der das Stöhnen erstickte. Und dann schwieg ich völlig, ließ die Ströme dunklen Lebens mich ganz überfluten, mich forttragen in warme Gewässer, die alles Böse und Traurige wegspülten und uns als völlig verwandelte Wesen wieder auftauchen ließen, frei und unbefangen und ganz wir selbst. Unsere Gedanken aber gingen dabei auf Reisen, näherten sich dem unbekannten Bereich in uns, in dem Traumgestalten lebten und atmeten. Traumgestalten, schwebend wie der Fötus im Mutterleib, durch eine Nabelschnur mit unserer Seelenkraft verbunden. Wir schützten und nährten diese Traumgestalten, formten sie zu unserer Sinnenverwirrung oder Glückseligkeit, bis das Scheinbild zu Fleisch und Blut wurde, sich in einen Menschen verwandelte, von warmem Leben durchpulst.

EINUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
    A m Morgen hatte der Schnee, der alles zum Schweigen brachte, sein schwereloses Funkeln verloren. Eine fahle Sonne durchleuchtete das Grau. Auf den Straßen schoben Maschinen weiße Hügel vor sich her. Vermummt und vornübergebeugt stapften Leute vorsichtig durch die Schneewehen. Der Verkehr kam mühsam wieder in Gang. In den Gärten, wo die Kälte hing, stauten sich Nebel. Es war Freitag. Ob es mir Spaß machte oder nicht - es machte mir keinen Spaß -, ich musste für ein paar Stunden ins Büro, hatte aber schon um zwei wieder frei.
    »Wie wär’s«, fragte Kanam, »wenn wir das Wochenende zusammen in Luzern verbrächten?«
    Es war beim Frühstück, und wir fühlten uns benommen. Der Kaffee half auch nichts; wir bewegten uns im Zeitlupentempo, wie Mondsüchtige. Während ich im Schlafzimmer Kopfkissen und Federbett schüttelte und die Tagesdecke glatt zog, hörte Kanam den Wetterbericht. Am Nachmittag sollten die Straßen wieder frei sein.
    »Hättest du Lust, mein Haus zu sehen?«
    Ich sah ihn ernst an.
    »Möchtest du das denn?«
    »Ja, das möchte ich sehr gern.«
    Er wirkte so aufgeregt wie ein Junge. Ich versuchte mir einzureden, dass er mich in einem spontanen Überschwang der Gefühle danach fragte, aber das war nicht seine Art. Die Zweifel, die sich mitunter bei mir noch gebildet hatten, waren in
dieser Nacht verstummt. Alles war schon im Voraus festgelegt. Etwas berauscht schlug ich Kanam vor, in meiner Wohnung auf mich zu warten. Er ging sofort darauf ein; die Idee fand er gut. Ich sagte: »Vielleicht wirst du dich ein wenig langweilen.«
    »O nein, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Lass nur alles stehen«, setzte er hinzu, als ich mich anschickte, den Tisch abzuräumen. »Ich mache Ordnung in der Küche, und dann schaue ich meine Papiere durch und verarbeite meine Notizen. Ich bin ja gestern nicht mehr dazu gekommen.«
    »Ach nein? Warum denn nicht?«
    Wir sahen uns an. Es war, als ob wir beide schwankten.
    Er sagte sehr langsam: »Weil gestern ein wichtiger Tag für mich war.«
    Ich erwiderte leise: »Für mich auch, genauso.«
    Jener Tag, der Tag unserer Begegnung, war von tiefer Bedeutung, von Macht und Geheimnis geprägt. Eine Bestimmung war erfüllt, eine Übergabe hatte stattgefunden. Ja, dieser Tag war der Beginn einer neuen Geschichte, ein Markstein auf unserem Lebensweg, eine vibrierende Tragfläche unendlicher Wunder, eine Erfüllung, eine Ekstase. Ein Tag, der die Vorfahren für schlimme Zeiten entschädigte, für damals, als kein Hoffnungsschimmer bestand, als sie eingesperrt wurden wie Tiere, gedemütigt, gefoltert. Als man ihnen im Namen einer Utopie entsetzliche Dinge antat, die kein menschliches Wesen einem anderen antun darf. Ein Nationalismus mag noch so glühend sein - wenn er grausam ist, ist er dumm. Denn keine Revolution, die ihre Kinder zu seelischen Krüppeln macht, kann etwas errichten, das auf Dauer besteht. Die Weltuhren ticken, und alles geht vorbei. Aus der Saat des Hasses keimen nur giftige Pflanzen. Manipulierte Halbwüchsige

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