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Das Haus der Tibeterin

Titel: Das Haus der Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica Cesco
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zu behandeln. Das Dokument wurde im Beisein von Zeugen unterschrieben und galt als Bestandteil des Ehevertrags. Auch legten Longsela und Paldor ein religiöses Gelübde ab, für den Rest ihres Lebens keinen anderen Partner zu haben.
    Für Paldors Mutter war der Augenblick gekommen, ein paar Tränen zu vergießen.
    »Ach, wie werde ich meinen Sohn vermissen!«
    »Und wer wird jetzt meine Briefe schreiben?«, seufzte der Vater.

    Die Brautleute trösteten beide aufs Liebenswürdigste. Etwas Wehmut gehörte dazu, und im Grunde waren alle zufrieden. Der Aufenthalt Paldors und seiner Eltern sollte diesmal nur kurz sein. Bevor Paldor endgültig nach Lhasa kam, gab es in Shigatse noch vieles zu erledigen. Doch nun, da der Ehevertrag unter Dach und Fach war, ließ man dem Brautpaar etwas Zeit, sich ihrer eigenen Freude zu widmen. Die beschlossene Hochzeit warf ihren beruhigenden Schatten voraus; draußen war es trocken und kalt, der Frühling kam spät in diesem Jahr. Doch das Haus der Weiden war groß; es gab viele unbewohnte Räume, eisig in dieser Jahreszeit, mit Teppichen und alten Möbeln vollgestopft, die keiner mehr wollte. Longsela und Paldor fanden ein Zimmer, in dem ein großes Bett voller weicher, wenn auch muffig riechender Kissen fast den ganzen Raum einnahm. Hier kuschelten sie sich unter die satinbezogenen Decken, küssten sich, lachten leise, denn es wäre nicht schicklich gewesen, wenn man sie entdeckt hätte. Gewiss hatte Longsela bereits einige Männer gekannt. In Tibet herrschten keine strengen Sitten. Ja, es gehörte sogar dazu, etwas leichtfertig zu sein. Einer Frau, die nie einen Liebhaber hatte, wurde schnell nachgesagt, sie sei nicht schön genug oder sie habe irgendeinen verborgenen Makel. Doch nie hatte Longsela einen Mann richtig geliebt oder den Wunsch verspürt, Kinder von ihm zu haben. Von Paldor wünschte sie sich sehnlich, oh so sehnlich, bald ein Kind zu empfangen. Sie wollte alles von ihm aufnehmen, mit ihm zusammenwachsen, wie das die Pflanzen tun. Es waren verzückte Augenblicke, von Sehnsucht und Verlangen geprägt. Wer kann die Empfindungen beschreiben, die ein erster Kuss weckt, dieser Augenblick, in dem sich zwei Lippenpaare berühren, sich öffnen, sich hingeben? Beide küssten sich immer wieder, als würden sie verdursten und könnten ihren Durst nur aneinander stillen. Sie trugen ihre Winterkleider, waren in Wolle, Pelze und Seiden gehüllt, doch ihre Hände waren geschickt, die Schnüre zu lösen und zwischen Stoffen
ihre warmen Leiber zu berühren und zu erkunden. Der Frühling, der auf sich warten ließ, war schon da, erwachte durch die Wärme ihrer Körper. Longsela war von tiefem Glück erfüllt. Voller Entzücken strich sie über Paldors zarte Haut, unter der die Muskeln stark und geschmeidig waren. In Bhutan wird das Bogenschießen als Nationalsport gepflegt. Paldor zeigte sich in dieser Disziplin geschickt und den meisten anderen überlegen. Sie blickten einander in die Augen, kamen sich entgegen, langsam und drängend, kosteten ihr Verlangen füreinander aus. Er küsste ihr schimmerndes Haar, ihre Augen, ihre Brüste. Sie schnürte sein bhutanesisches Untergewand auf, legte ihre gespreizten Finger auf seine Brust. Er fühlte sie, weich wie eine Taube und feucht und aufnahmebereit, presste sie fest an sich, legte sich auf sie. Und dann, als sie sich schließlich vereinigten, genossen sie voller Entzücken das Spiel ihrer geschmeidigen, perfekt zueinander passenden Körper. Das war es, was sie so glücklich machte - dass sie zueinander gehörten! Sie sahen sich immerzu dabei an, waren sinnlich und zurückhaltend und zugleich voller Leidenschaft. Das Begehren trug sie davon in schwindelnde Höhen, wo die Kälte sich in glühendes Feuer verwandelte und das Licht in Dunkelheit. Eine Weile war nur sein Keuchen hörbar, dem ihren gleich, bis ihr Atem wieder ruhig wurde und beide sich in entspannter Mattigkeit umarmten. Dann rollte sich Paldor leicht von ihr weg, wobei er zugleich die Satindecke über ihre Blöße zog. Sie drehte weich den Kopf zu ihm hin und lächelte, noch von den leichten Schauern der Erfüllung durchrieselt. Ihr emporgewandtes Gesicht gleicht einer Blume, dachte er in seiner poetischen Seele, einer goldfarbenen, schimmernden Lotosblüte. Er erwiderte ihr Lächeln, als ob es in der Welt keine andere Sprache gäbe als eben dieses stille Blumenlächeln. Immer wieder und ganz unbewusst strich sie mit der Hand über seine nackte Brust, genoss in der zärtlichen

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