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Das Haus der Tibeterin

Titel: Das Haus der Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica Cesco
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schmücken mussten. Longsela hatte ihr eigenes Banner. Paldors Banner wurde neben dem ihren auf dem Dach aufgestellt, damit alle wussten, dass der Bräutigam in Zukunft in ihrem Haus leben würde. Und obgleich die Zeremonien sehr einfach gehalten waren, gab es doch viel Gelächter, ein üppiges Essen, Musik und ausgelassene Tänze. Das glückbringende Chang-Bier wurde in großen Mengen gespendet und getrunken. Die Kinder, das Haar mit leuchtenden Bändern geflochten, flatterten aufgeregt durch Haus und Garten, kreischten lauthals und drängten sich zwischen den gutmütig lachenden Gästen. Auch die Dienstboten waren bei der Hochzeit zu Gast und sprachen Lobgedichte zu Ehren der Brautleute. Ältere Dienstboten, die bereits als Mitglieder der Familie galten, streiften den Brautleuten so viele »Katas« - Glücksschärpen - um die Schultern,
dass ihre weiße, segensbringende Pracht Longselas und Paldors kostbare Festgewänder bald bedeckte. Weitere Seidenschärpen, auch diese von den Dienstboten gestiftet, waren an Türen und Treppen befestigt. Als Entschädigung erhielten sie Lebensmittel und Leckereien, Teeziegel und Krüge voller Chang, die sie unter sich aufteilten. Tee, Bier und Süßigkeiten wurden sogar an die Schaulustigen und die Armen verteilt, die sich hinter den Torflügeln drängten. Es wurde auch Geld an die Regierung und an die Klöster verteilt. Die Mönche sprachen Gebete für das künftige Glück der Brautleute und das Wohlergehen ihrer Familien. Und als Paldors Eltern die Rückreise antraten, beladen mit Geschenken und freudigen Erinnerungen, taten sie es in der glücklichen Gewissheit, dass ihr Sohn, den sie nun entbehren mussten, eine schöne, zärtliche Frau und eine liebevolle neue Familie gefunden hatte.

DREIZEHNTES KAPITEL
    T atsächlich stellten Longsela und Paldor in der Liebe wie in der Freundschaft Ansprüche, die Mittelmäßiges nicht duldeten. Das Schicksal oder geheimnisvolle Kräfte hatten zwischen diesen beiden Menschen starke Bande gelegt, die bisweilen rätselhaft schienen, aber gleichzeitig so offensichtlich waren, dass manche ihre Zuwendung als exzessiv ansahen, ja sogar ein wenig belächelten. Der gute Ton hätte mehr Zurückhaltung verlangt, aber dieser Mann und diese Frau nahmen sich nicht einmal die Mühe, ihre Liebe zu verbergen. Ungewöhnlich war das Betragen der jungen Brautleute, die mit jedem gegenseitigen Blick, jeder Geste, jedem Lächeln ihre Zuneigung verrieten. Und die Schwiegereltern, von denen man doch mehr Konformismus erwarten konnte, beobachteten dies alles noch mit gerührtem Lächeln! Longsela und Paldor wurden bald zum Stadtgespräch. Als der Herbst, die schönste Jahreszeit in Lhasa, mit seinen Volksbelustigungen und Geselligkeiten kam, bildete bei Partys, Pferderennen und Gartenfesten dieses seltsame, elegant gekleidete Paar stets den strahlenden Mittelpunkt.
    Die Eltern hatten den jungen Leuten eine Zimmerflucht im zweiten Stockwerk überlassen. Alle Fenster hatten Glasscheiben, in den Zimmern standen Tische und Sessel europäischer Machart, daneben kostbare Schränke und Truhen aus Walnussholz, in schönen, starken Farben bemalt. Im Ofen aus Gusseisen brannten Wacholderzweige und verströmten ihren reinigenden Duft. Die Böden aus Natursteinen wurden in regelmäßigen
Abständen mit Kerzenwachs eingerieben und poliert, sodass sie wie Spiegel glänzten. Dicke Teppiche in beruhigenden Farben machten, dass man im Sommer barfuß durch die Wohnung gehen konnte, denn die Steine unter den Füßen waren immer kalt. An den Wänden standen hohe Regale, aus Indien herbeigeholt, auf denen sich Bücher und Zeitschriften stapelten. Den Ehrenplatz in der Wohnung nahm der persönliche Hausaltar der Eheleute ein mit den sieben Silberschalen, den Butterlampen und den vielen kostbaren Kleinodien zu Ehren der Götter. Die Wohnung verfügte über ein eigenes Badezimmer mit einer kleinen Zinkwanne, in der man hockend baden konnte. Allerdings musste das heiße Wasser von Dienstboten aus der Küche in Eimern hinaufgetragen werden. Paldor las viel, ließ sich Zeitungen und Zeitschriften kommen, besaß einen Plattenspieler und ein Radio und begann jeden Tag mit dem Hören der Nachrichten. Ihn interessierte, was draußen in der Welt geschah. Tenzin, dessen Sehkraft nachließ, hatte seinem Schwiegersohn zwei Kameras überlassen, eine deutsche und eine japanische, mit denen er mit Leidenschaft fotografierte. Der Handel mit den Juwelen hatte Longsela, unabhängig vom elterlichen

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