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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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in all den Jahren, seit ich dich kenne, niemals dumm verhalten – seit wir kleine Kinder waren! Und nicht ein einziges Mal unwürdig. Du warst immer nur gut, freundlich und großzügig. Und wenn diese Theosophie dich irgendetwas anderes lehren will, dann irrt sie schlicht und einfach, und es wäre vielleicht besser, nicht noch mehr davon zu lernen!«, ruft Hester aus.
    »Hetty!«, fährt Albert sie barsch vor unvermitteltem Zorn an. »Sag so etwas nicht!« Hester weicht verletzt zurück.
    »Ich hoffe doch, ich störe nicht«, sagt Robin Durrant, der in der offenen Tür erscheint, als habe er schon die ganze Zeit über dort gestanden, eine Hand in der Tasche, die andere um seine Frena-Kamera gelegt. Hester springt von der Armlehne auf und wendet sich erschrocken ab. Die Haut unter ihrem Kragen kribbelt, und sie ist ein wenig atemlos.
    »Ah, Robin! Nein, natürlich nicht. Natürlich nicht«, sagt Albert errötend. In dem kurzen, unbehaglichen Schweigen, das darauf folgt, holt Hester tief Luft, um sich zu fassen.
    »Guten Morgen, Mr. Durrant. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen?«, sagt sie schließlich. Ihre angespannte Stimme klingt unpassend schrill. Robin Durrant lächelt sie auf diese lässige Art an, und für einen kurzen Moment scheint sein Blick sie vollkommen zu durchschauen. Sie spürt, wie ihre Wangen glühen, und würde am liebsten den Blick abwenden oder sich die Hände vors Gesicht halten wie ein Kind. Aber das geht natürlich nicht. Das Blut pulsiert ihr in den Schläfen und schießt ihr in die Wangen, und sie weiß, dass er sie heftig erröten sieht. Er hält sie mit seinen Augen noch eine Sekunde lang auf diese Weise fest, dann blinzelt er und lässt den Blick ganz entspannt durch den Raum gleiten.
    »Ja, danke sehr. Ich schlafe hier immer gut – die Ruhe auf dem Land ist so wohltuend für Körper und Geist. Finden Sie nicht?«
    »O ja, durchaus«, bringt Hester mühsam hervor. Sie räuspert sich und verschränkt die Hände vor ihrem Rock. »Ich finde es hier auch immer sehr friedvoll«, fügt sie hinzu, doch Robin Durrant sieht den Pfarrer an, auf den dasselbe lässige Lächeln eine ganz andere Wirkung hat. Albert scheint einen Moment den Atem anzuhalten, dann breitet sich auf seinem Gesicht ebenfalls ein zaghaftes Lächeln aus und lässt seine Augen aufleuchten.
    »Und?«, fragt er, und Robin Durrant lächelt breiter.
    »Ja, Albert. Ja. Ich habe sie gesehen!«, sagt er.
    Albert faltet in sprachloser Freude die Hände, die Fingerspitzen an den Lippen wie im Gebet, und seine Beklommen heit verfliegt. Ein unangenehmes Gefühl von vager Furcht windet sich in Hesters Magengrube, doch sie kann es beim besten Willen nicht benennen und weiß auch nicht, was sie dagegen tun könnte.

6
    Am späten Montagvormittag schrubbt Cat Hesters Unterwäsche in einem Holzbottich voll warmer Seifenlauge. Sie ist für diese Arbeit eigens hinaus auf den Hof gegangen, wo sie ungestraft mit Waschwasser spritzen und sich die Sonne ins Gesicht scheinen lassen kann. Die Stücke gelten als zu kostbar und empfindlich, um sie der Waschfrau mitzugeben, und sie zu reinigen ist eine mühselige Angelegenheit. Cat entfernt die Stäbe aus den Korsetts und wäscht jedes einzeln. Mit einer weichen Bürste bearbeitet sie den Satin, vorsichtig und nur in Längsrichtung, bis alle Flecken und Gerüche daraus verschwunden sind. Jedes Korsett muss unter der Pumpe gründlich ausgespült, dann in Form gezo gen, wieder auf seine Fischbeinstäbe gespannt und zum Trocknen flach ausgebreitet werden, damit die Sonne den weißen Stoff bleichen kann. Cat muss alle halbe Stunde nach den Korsetts schauen, bis sie trocken sind, und sie mit Zupfen und Streichen wieder in ihre ursprüngliche Form bringen.
    Hesters Unterhosen sind diese Woche fleckig. Die dunklen, blutigen Spuren im Zwickel und an den Beinen lösen sich im Wasser braun auf und lassen den Geruch von rostigem Eisen aufsteigen. Cat rümpft die Nase, während sie schrubbt, wringt, spült und wieder schrubbt. Ihre Hände schmerzen und schwellen im Wasser an. Sie ist froh, dass George sie bei dieser Arbeit nicht sehen kann.
    »Bist du immer noch nicht damit fertig?«, bemerkt Mrs. Bell, die den Kopf zur Küchentür herausstreckt. Cat wedelt zornig mit einer fleckigen Unterhose.
    »Eine Zwölfjährige könnte ihre Regel besser handhaben als die Pfarrersfrau!«, ruft sie.
    »Bist du wohl still!« Mrs. Bell blickt sich aufgebracht um.
    »Ich wünschte wirklich, der Pfarrer würde endlich mal

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