Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
dieser Hitze ein Unding, keinen Raum für die Lagerung verderblicher Lebensmittel zu haben! Hättest du doch nur vorher mit mir darüber gesprochen, dann hätte ich dich gleich darauf hinweisen können, dass dies keine Lösung sein kann, und …«
»Doch, Hetty. Robin hat sich das ganze Haus angesehen, und dies ist der einzige Raum, der sich einigermaßen als Dunkelkammer eignet«, beharrt Albert.
»Nun ja … wie wäre es mit einem der Nebengebäude? Der alte Holzschuppen hat gar kein Fenster – könnten wir Mr. Durrant nicht dort die nötigen Arbeitsflächen schaffen?«
»Der alte Holzschuppen? Der ist voller Staub und Spinnweben, Hester! Sei doch nicht so albern! Wie sollte Robin inmitten von bröckelndem Putz und Sägespänen etwas so Empfindliches und Bedeutendes wie die Fotografie eines Elementarwesens hervorbringen? Du musst wirklich end lich damit aufhören, diese Arbeit zu behindern!«
»Aber … aber ihr solltet euch hier unten nicht einmal aufhalten «, flüstert Hester unglücklich. Zwei Premieren binnen fünf Minuten, denkt sie – Sophie Bell laut lachend und Albert im Untergeschoss, im weiblichen Reich von Küche und Hauswirtschaftsräumen.
»Verzeihung«, sagt Albert erneut und geht mit der Ladung Obst und Gemüse an ihr vorbei. Hester dreht sich nach ihm um und begegnet dem Blick des Theosophen, der noch immer untätig im Flur herumsteht. Sie kann ihm nicht standhalten und schlägt die Augen nieder, von vager Empörung erfüllt.
»Ich bedauere sehr , dass ich Ihnen solche Umstände bereite«, sagt Robin ohne jedes hörbare Bedauern. Hester beißt die Zähne zusammen und ringt sich ein knappes Lächeln ab, ehe sie an ihm vorbeigeht und ihrem Mann folgt. Sie bringt es nicht über sich, die Entschuldigung höflich anzunehmen.
»Sie kommen gewiss zurecht, Mrs. Bell. Sie sind eine so tüchtige Frau, Sie wissen sich doch zu helfen«, sagt Albert etwas verlegen zu der Haushälterin, als Hester die Küche betritt.
»Dann wenigstens die Milch, Reverend? Es kann doch nicht schaden, wenn ich die Milch dort drin lagere – sie braucht auch nicht viel Platz …«
»Nein, ich fürchte, das kommt nicht infrage. Das Risiko einer Kontamination ist zu groß. Nun, also … Es tut mir leid, wenn Ihnen das lästig ist, Mrs. Bell, aber die Bedürfnisse unseres Gastes gehen in diesem Fall vor. Unsere Arbeit ist von äußerster Wichtigkeit. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt die restlichen Lebensmittel wegräumen würden, und dann möchte ich nichts mehr davon hören«, sagt der Pfarrer und geht die Treppe hinauf.
»Madam, können Sie nicht mit ihm reden? Das ganze Essen wird verderben!«, fleht Sophie Hester an, sobald Albert außer Hörweite ist.
Hester bekommt plötzlich kaum noch Luft, sodass sie nur hilflos den Kopf schütteln kann. »Es tut mir leid, Sophie. Bitte tun Sie einfach Ihr Bestes«, entgegnet sie schließlich. Dann blickt sie hinter sich in den Flur, doch Robin Durrant ist auf den Hof hinausgegangen und hat die halb leere Kühlkammer und die verschüttete Panade hinter sich gelassen, die schon die Fliegen anzieht. Sekunden später erscheint Cat mit empörtem Gesicht in der Hintertür und wischt sich die Hände an ihrer Schürze ab.
»Der Theosoph hat mich hergeschickt, damit ich seine verdammte Schweinerei aufwische«, faucht sie und zuckt leicht zusammen, als sie bemerkt, dass Hester noch im Raum ist. »Verzeihung, Madam«, murmelt sie.
»Nein, ist schon gut, Cat. Aber wenn du gerade Zeit hast, kümmere dich bitte darum«, sagt Hester kleinlaut und flüch tet vor der Wut der beiden Frauen. Am Kopf der Treppe bleibt sie stehen, weil sie plötzlich nicht mehr weiß, wohin sie gehen oder was sie als Nächstes tun sollte. Es scheint, als hätte sich das Haus irgendwie verändert – als wäre in ihrer Abwesenheit jemand hier gewesen und hätte sämtliches Mobiliar ein wenig verrückt, sodass nichts mehr am rechten Fleck steht. Unsere Arbeit ist von äußerster Wichtigkeit . Alberts Worte hallen ihr durch den Kopf. Ist da also dieses wichtige Etwas verloren gegangen? Hat es an dem Tag angefangen, als Albert ins Haus gerannt kam und ihr sagte, er hätte ein Elementarwesen gesehen? Damals konnte sie kaum glauben, dass er das ernst meinte. Beunruhigt und beinahe beängstigt geht Hester in den Salon und setzt sich auf die Kante eines Stuhls. Sie fühlt sich mutterseelenallein.
Mrs. Bell wartet, bis Hesters Schritte verklungen sind. Dann dreht sie sich mit vor Wut verkniffenem Gesicht zu Cat
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