Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
Dinge meine Aufmerksamkeit verlangen.«
»Weshalb bist du denn heute Morgen nicht mit Mr. Durrant hinausgegangen?«
»Nun ja … Er hat da eine Theorie. Ja, eine Theorie, die wir gerade überprüfen. Aber ich habe heute Morgen einige besorgniserregende Neuigkeiten in der Zeitung gelesen.«
»Ach? Nichts allzu Schreckliches, hoffe ich?«
»Die Polizei hat neulich Abend sieben Männer wegen unerlaubten Glücksspiels verhaftet. Gestern standen sie deshalb vor Gericht. Glücksspiel – Wetten auf einen Hahnenkampf obendrein! Keine zwei Meilen von hier in Thatcham – ist das denn zu fassen? Von all den blutigen, brutalen Dingen, auf die man Wetten abschließen kann, entscheiden sie sich ausgerechnet dafür, zwei arme, dumme Tiere aufeinanderzuhetzen.«
»Nein, das ist wirklich grausam! Wie abscheulich«, ruft Hester aus.
»Einer von ihnen war Derek Hitchcock von der Mile End Farm. Ein Mann aus Cold Ash Holt, ein Mitglied meiner eigenen Gemeinde«, fährt Albert fort. Seine Stimme ist angespannt vor Erregung, das Gesicht vor Sorge beinahe verkniffen.
»Liebling! Du darfst wirklich nicht von dir erwarten, dass du jede einzelne Seele dieser Gemeinde stets auf dem rechten Pfad halten kannst! Urteile nicht zu hart über dich selbst. Menschen gehen in die Irre – das liegt in ihrer Natur. Du leistest so großartige Arbeit, indem du ihnen das Wort Gottes näherbringst.«
»Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs all der Verderbtheit, die uns umgibt, Hetty! Alles ist unrein, auch die Herzen aller Männer und Frauen! Erst neulich habe ich der Familie Smith einen unerwarteten Besuch abgestattet, nur um auf den allzu offenkundigen Grund dafür zu stoßen, weshalb die älteste Tochter nicht mehr zum Gottesdienst kommt – sie erwartet ein Kind, Hetty! Hochschwanger, und dabei ist sie selbst erst siebzehn und unverheiratet.« Albert schüttelt den Kopf und blickt verzweifelt zu seiner Frau auf. Hester lässt sich auf die Armlehne seines Stuhls sinken und ergreift fest seine Hand.
»Albert! Viele junge Mädchen haben sich schon von den süßen Worten eines Verehrers betören lassen … das ist natürlich bedauerlich und eine Tragödie für die kleine Smith, aber sie kann doch Buße tun – sie kann die Gnade Gottes wiedererlangen, wenn sie ihren Fehltritt aufrichtig bereut. Und die allermeisten Leute hier sind gute, freundliche, ehrliche Menschen. Lieber Albert, was hat dich nur in solche Verzweiflung gestürzt?« Hester schmiegt die Handflächen zärtlich an seine Wangen. Albert weicht ein wenig zurück, als wollte er ihrem Blick nicht begegnen, doch Hester lässt ihn nicht los.
»Etwas, das Robin gestern Morgen zu mir gesagt hat«, gesteht er schließlich matt.
»Was hat er gesagt?«, fährt Hester auf. Ihre Stimme klingt schärfer, als sie beabsichtigt hat. Albert blickt erschrocken zu ihr auf, und sie bemüht sich um ein Lächeln. »Was hat er denn gesagt, mein Lieber?«
»Er hat mich gebeten, ihn morgens nicht mehr in die Auen zu begleiten. Er hat angedeutet, dass er mit seinen Fotografien eher Erfolg haben könnte, wenn ich nicht dabei bin. Möglicherweise wirken meine ungenügend verfeinerten, unreinen Schwingungen abstoßend auf die Elementarwesen«, erklärt Albert kläglich.
»Deine unreinen Schwingungen? Was für ein Unsinn! Niemand könnte reineren Geistes sein als du, Albert!«
»Er meint damit eher meine mangelnde Ausbildung, in theosophischer Hinsicht. Ich bin noch nicht fähig, mich innerlich so auf sie einzustimmen, dass ich … in Harmonie mit ihnen schwinge. Das könnte der Grund dafür sein, dass es uns noch nicht gelungen ist, sie auf Film zu bannen, und dass ich sie nicht noch einmal habe sehen können. Ich bin eben kein Eingeweihter.«
»Aber du hast sie doch ursprünglich entdeckt, Bertie! Wie könntest du dann der Grund dafür sein, dass sie jetzt fortbleiben?«, fragt Hester.
»Sie haben sich mir kurz zu erkennen gegeben, das stimmt. Vielleicht war ich unbewusst in eine Art Trancezustand hineingeraten, den ich willentlich nicht wieder zu erreichen vermag.« Albert spricht wie zu sich selbst. »Das wäre möglich. Vielleicht war mein Geist zu unruhig, zu rastlos, seit ich sie gesehen habe. Ich war zu sehr von meinem selbstsüchtigen Wunsch beherrscht, sie noch einmal zu sehen und mehr zu erfahren. Ich muss ihnen wie eine derbe, klirrende Schelle klingen mit diesem Drang! Ja, jetzt wird mir alles klar – ich war einfach unwürdig in meiner Dummheit!«
»Albert, sprich nicht so! Du hast dich
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