Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
weiß nicht. Sie hätten sich doch ohne Weiteres ins Herz eines Mannes kochen können.« Cat lächelt.
»Du hast heute wohl die Weisheit mit Löffeln gefressen, was? Na los, sehen wir zu, dass wir hier fertig werden. Wir müssen uns um das Mittagessen kümmern. Der Herrin knurrt sicher bald der Magen. Ganz zu schweigen von diesem gelehrten jungen Mann, dessen Arbeit ja so ungeheuer wichtig ist.«
»Ja, wer hätte geahnt, dass sie derart wichtig ist? Der Pfarrer behandelt ihn, als gehörte er zum hohen Adel«, bemerkt Cat.
»Ja, nicht? Nun, dann muss er wohl mehr wissen als wir, nehme ich an.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, brummt Cat. Mrs. Bell wirft ihr einen fragenden Blick zu, und Cat zuckt mit den Schultern. »Der Pfarrer sollte vorsichtig sein. Offenbar hat Robin Durrant keinen eigenen Wohnsitz. Ich habe das Gefühl, dass er nur zu gern diesen hier übernehmen würde.«
»Wie meinst du das, übernehmen?« Die Haushälterin runzelt die Stirn. Cat zuckt erneut mit den Schultern.
»Wir werden sehen«, sagt sie.
Als alle Teller und Gläser vom Abendessen gespült, abgetrocknet und aufgeräumt sind, der Esstisch gewischt und die Servietten gefaltet und glatt gepresst oder in den Waschkorb gelegt sind, schlüpft Cat zur Hintertür hinaus auf den Hof und steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen. George wird noch ein paar Tage mit dem Kahn unterwegs sein – er bringt eine Ladung Holz den Kanal hinauf nach Surrey. Viereckige Zaunpfosten mit scharf gespitzten Enden, frisch behauen, das Holz hell und feucht. Cat hat die Männer den Kahn beladen gesehen, als sie mit den Briefen von Hester auf dem Weg zum Postamt in Thatcham war. Georges Boot hatte Gesellschaft von zwei weiteren Lastkähnen bekommen. Die Pferde wurden aus ihren baufälligen Ställen geholt und reckten sich nach langen, grünen Stängeln, während sie an die Taue geschirrt wurden. Sie schüttelten die Mähnen und schlugen mit den Schweifen nach den Fliegenschwärmen. Die Männer trugen dicke Arbeitshandschuhe und hatten sich die Hosenbeine unter dem Knie mit Schnüren umwickelt, zum Schutz gegen die Ratten, die panisch flüchteten, als die hohen Holzstapel abgebaut und auf den Kähnen neu aufeinander geschichtet wurden. George klebte das Hemd am Rücken, und er runzelte im grellen Sonnenschein die Brauen. Sie rief nicht nach ihm, denn es erschien ihr nicht richtig, ihn bei der Arbeit zu stören. Es gefällt ihr, dass sie ihn dieses Mal gesehen hat, er sie aber nicht. Das ist, als besäße sie jetzt ein kleines Stückchen mehr von seinem Leben, als er ihr freiwillig gegeben hat. Jetzt wünscht sie, er wäre schon zurück. Sie könnte allein im Dunkeln spazieren gehen, aber ohne Ziel kommt ihr das sinnlos vor.
Sie tastet in ihrer Tasche nach den Streichhölzern, da flammt plötzlich neben ihr in der Dunkelheit eines auf und lässt sie zusammenzucken. Robin Durrant beugt sich vor und erscheint hinter dem orangeroten Flämmchen, das er ihr mit einem leichten Lächeln hinhält. Aus irgendeinem Grund, den Cat nicht genau bestimmen kann, ist ihr erster Impuls, es abzulehnen. Doch sie nimmt das Feuer an, tut einen langen Zug an ihrer Zigarette und hustet ein wenig.
»Danke«, sagt sie reserviert.
»Gern geschehen«, entgegnet er. Cat mustert ihn im schwachen Lichtschein, der durch die Tür fällt. Er bewegt sich ein wenig zurück und lehnt sich an die Wand. Sein Körper biegt sich elegant zu einer lässigen Haltung, die Hüfte leicht vorgeschoben, der Kopf zurückgeneigt.
»Was tun Sie hier draußen? Sie rauchen ja nicht einmal«, bemerkt sie. Der Hof ist für sie inzwischen ihr Platz, diese Augenblicke nach dem Abendessen ihre Zeit.
»Ich habe geraucht. Bin gerade fertig geworden, ehe du herausgekommen bist, Cat.« Die Art, wie er ihren Namen ausspricht, hört sich für sie allzu vertraulich an. »Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe«, fährt er fort und wendet ihr den Kopf zu. Die Konturen seines Gesichts werden sanft erhellt. Sauber und klar, glatte Stirn, der Schwung seines Kiefers. Die Augen verlieren sich im Schatten. Sein Gesicht ist schön, wird Cat plötzlich bewusst. Geradezu makellos schön, wie das eines Heiligen oder eines Sinnbilds der Liebe auf einem Gemälde. Aber auch undurchschaubar, undurchdringlich. Seine Freundlichkeit wirkt wie eine Maske.
»Sie haben mich nicht erschreckt.«
»Nein. Ich möchte wetten, dass so einiges nötig wäre, um dich zu erschrecken«, entgegnet er. Cat ignoriert ihn und zieht an ihrer
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