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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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beschwerlichste.«
    »Vielleicht hat Robbie das ja geschrieben und ein bisschen abgewetzt, damit es alt aussieht. Ist es seine Handschrift?«
    »Nein … aber …« Jac dachte an die Glasbehälter in der Werkstatt. »Es könnte die meines Großvaters sein.«
    »Bis jetzt gab es keine einzige Abzweigung, nur den direkten Weg von eurem Labyrinth hierher. Wenn dein Großvater Robbie den Eingang gezeigt hat, müssen sie also hier vorbeigekommen sein. Meinst du, du schaffst noch ein Stück?«
    »Sicher.«
    »Ist dein Großvater je ausgezeichnet worden?«
    »Ausgezeichnet?«
    »Hat die Regierung ihm nach dem Krieg einen Orden verliehen oder so?«
    »Nicht dass ich wüsste. Er hat nicht viel über seine Kriegserlebnisse gesprochen. Nur ein paar Geschichten darüber, wie sie Leute in den Tunneln versteckt haben.«
    »Dann war dir gar nicht bewusst, dass er ein Held war?«
    Griffin wollte auf irgendetwas hinaus, doch Jac kam nicht dahinter.
    »Meine Großmutter hat immer gesagt, er sei ein Held, aber das war ihm ziemlich unangenehm. Wieso?«
    »Du suchst doch immer nach Helden. Ich habe mich nur gefragt, ob du gemerkt hast, dass du mit einem von ihnen aufgewachsen bist.«
    Ganz kurz flackerte eine Erkenntnis in ihr auf: Was Griffin da sagte, war wichtig. Doch sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, vor ihnen ging es nun steil aufwärts. Fünf hohe Stufen führten in einen Tunnel, der so niedrig war, dass sie auf Händen und Knien weiterkriechen mussten. Zum Glück hatten sie Handschuhe, sonst hätte ihnen der raue Untergrund die Haut aufgerissen. Nach drei Metern endete der Tunnel, diesmal nicht an Stufen, sondern an einer glatten steinernen Röhre.
    »Wo führt die hin?« Jac hörte, wie ihre Stimme schwankte.
    »Keine Ahnung.«
    »Wir können da nicht hinein.«
    »Einen anderen Weg gibt es nicht.«
    Zum ersten Mal seit Inspektor Marchers Anruf in New York verfluchte Jac ihren Bruder.
    »Lass mich zuerst gehen«, sagte Griffin und kletterte in die Röhre.
    »Davon war ich eigentlich ausgegangen.«
    »Also, hier ist ein kleiner Tunnel …« Seine Stimme wurdeleiser, während er behutsam weiter hineinkroch. »Eine Rutsche!«
    Jac hörte Wasser aufspritzen.
    »Alles klar bei dir?«, rief sie.
    Seine Stimme kam aus weiter Ferne. Seit dem Abstieg in den Schacht waren sie nicht so weit voneinander entfernt gewesen.
    »Ich stehe bis zur Hüfte im Wasser. Es ist ganz klar. Und kalt. Süßwasser. Das muss Quellwasser sein.«
    Jac wollte nicht weiter. Wollte Griffin sagen, dass das hier zu viel für sie war. Dass sie um ihren Verstand fürchtete.
    »Erst rutschst du ein Stück, und dann fällst du einen Meter runter. Ich warte hier auf dich.«
    Jac kletterte in den Tunnel. Unter sich sah sie die Kante, wo die Röhre in die Rutsche überging. Einen halben Meter entfernt. Näher ging es nicht. Das würde nicht leicht werden. Sie atmete ein. Pilze. Gestein. Erde.
    Jetzt war sie kurz vor der Kante.
    Sie kroch die nächsten Zentimeter. Nahm den nächsten tiefen Atemzug, kroch das nächste Stück. Jac versuchte, sich vorzustellen, wie Robbie vor zwei Tagen hier vorbeigekommen war. Was hatte er seitdem getan? Hatte er einen Weg durch die Tunnel gefunden und sich irgendwie nach Nantes durchgeschlagen? Hatte er dort das komplizierte Täuschungsmanöver mit den Schuhen ausgeheckt und war dann wieder zurückgekehrt, und das alles, damit die Polizei ihn für tot hielt? Um die Tonscherben zu schützen? Oder hatte Jac sich geirrt? Vielleicht hatte ein Tier den Kies durcheinandergebracht und den Obelisk beschmiert. Vielleicht hatte sie sich nur eingebildet, den Duft der Treue zu riechen. Hatte von vornherein alles falsch verstanden und dann Griffin davon überzeugt.
    »Vergiss es! Gehen wir zurück!«, rief sie. »Robbie ist gar nicht hier.«
    »Komm schon, Jac. Du kannst es. Ich bin ja hier. Und du bistder zielstrebigste Mensch, den ich kenne. Was hast du immer gesagt? ›Was soll schon passieren?‹ Oder?«
    Jac war ein Kind, ein kleines Mädchen. War mit ihrer Großmutter und Robbie in Cannes am Strand. Das türkisfarbene Wasser sah einladend aus, doch als sie prüfend ihre Zehen hineinstreckte, war es kalt. Robbie planschte schon glücklich kreischend darin herum. Jacs Großmutter beobachtete sie. »Lauf einfach rein. Denk gar nicht darüber nach. Tauch ab, so schnell du kannst. Im ersten Moment tut es weh, und dann gewöhnst du dich daran. Du musst tapfer sein,
ma chérie
«, sagte sie. »Es ist bloß kaltes Wasser. Was soll schon

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