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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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passieren?«
    Sei tapfer, ma chérie
, sagte Jac zu sich selbst.
Was soll schon passieren?
    Jac gab sich einen Stoß und rutschte die glatte Rinne hinunter. Als sie im Wasser landete, glitt ihr rechter Fuß unter ihr weg, und sie geriet ins Stolpern.
    Griffin fing sie auf.
    »Alles okay?«
    Jac nickte nur, damit sich ihre Angst nicht verriet.
    Griffin hob die Hand und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihrer Haarspange gelöst hatte. »Sag ehrlich. Kommst du zurecht? Du machst das großartig. Als hättest du nie etwas anderes getan. Und dein Bruder kann schon auf sich aufpassen. Das könnt ihr beide gut, Jac. Ihr seid hart im Nehmen.«
    Jac und Griffin wateten einige Meter durchs Wasser, bis fünf Stufen sie auf einen trockenen Absatz führten. Von dort aus blickten sie in eine majestätische, in den Steinbruch gehauene Kathedrale. Die Gewölbedecke war fast sieben Meter hoch. Anstelle der Fenster waren Vertiefungen in den Stein geschlagen worden, durch die weiteres Gestein zu sehen war. In schwarzen Druckbuchstaben stand an einer der Wände:
Rue de Sèvres, 1811
.
    Jac hatte am Abend davor in einem Artikel im Internet gelesen,dass die Tunnel teilweise mit Straßenschildern versehen waren, die dem Straßenverlauf der überirdischen Stadt entsprachen. Das half den Arbeitern nicht nur, ihren Weg zu finden, sondern gab ihnen auch eine viel grundsätzlichere Form der Orientierung. Es half gegen die Angst, wie der Autor des Artikels betonte. Und Jac begriff jetzt, warum. Das Straßenschild wirkte auch auf sie beruhigend. Sie konnte zwar nicht dreißig Meter durch den Fels nach oben graben, doch zumindest wusste sie, wo sie war.
    An der Wand rechts vom Eingang waren weitere Aufschriften zu sehen: Männernamen waren in weißer Farbe an die Wand gemalt und mit Daten von 1789 bis 1799 versehen worden. Links ging es mit Namen und Daten bis in das frühe neunzehnte Jahrhundert hinein weiter. Auf einer Art großem Wandgemälde erkannte sie, wie der Teufel von einer Gruppe von Menschen in schwarzen Kutten verjagt wurde, und unweit davon war mit Kreide eine Guillotine auf den Fels gekritzelt worden. Außerdem entdeckte Jac Symbole und Sprüche in einer altertümlichen Schrift, die aussahen, als hätte jemand sie mit dem Ruß einer Kerze oder Laterne geschrieben. Andere, neuere Schriftzüge waren mit fluoreszierender Farbe gemalt.
    Und sie sahen drei Torbögen vor sich. Die erste Weggabelung.
    Jac ging zu jedem der Durchgänge und schnupperte. Sog die Luft tief in sich ein. Doch von dem Parfüm, nach dem sie suchte, war nichts zu spüren.
    »Robbie hat uns ganz sicher einen Hinweis hinterlassen«, sagte Griffin. Er sah sich die Torbögen näher an. An dem rechten und linken waren keine Markierungen zu sehen. Doch über dem mittleren Durchgang waren Worte in den Stein gemeißelt worden. Ganz sicher nicht von Robbie – die Inschrift anzubringen musste viel Zeit gekostet haben, und sie war offensichtlich Hunderte von Jahren alt.
    Arrête! De l’autre bord de la vie est la mort.
    Jac übersetzte: »›Halt ein. Am anderen Ufer des Lebens wartet der Tod.‹ Wie ich meinen Bruder kenne, sollten wir hier durchgehen. Bestimmt hat er sich königlich darüber amüsiert, was für ein guter Hinweis das ist.«
    »Sieh mal hier.« Griffin zeigte auf eine der Säulen, die den mittleren Torbogen stützten. Er hatte einen mit Kohle gezeichneten Halbmond mit einem Stern darin entdeckt.
    Die beiden gingen durch die Öffnung in den nächsten Raum. Dessen gelbliche Wände waren uneben und feucht. Jac hörte Griffin nach Luft schnappen.
    Sie wollte ihn fragen, was los sei, da sah sie es selbst.
    Alles um sie herum bestand aus Knochen. Wände aus Knochen. Borde und Winkel aus Knochen. Altäre aus Knochen. Stützpfeiler und Bögen. Sogar Kreuze aus Knochen. Keine bleichen, sauberen Knochen, sondern halb verrottete, feuchte. Hunderte, nein, tausende. Schädel, Oberschenkelknochen, Hüften. In perfekter Symmetrie aufeinandergeschichtet, die runden Enden nach außen. Knochen, die Muster ergaben und architektonische Elemente.
    Sie hatten den Friedhof betreten, das Ersatzlager für die überfüllten überirdischen Ruhestätten. Sie waren in der Stadt der Toten.
    »Das ist schon merkwürdig, oder?«, sagte Jac und ging fasziniert von einem Gebilde zum nächsten. »Sie wirken gar nicht wie Menschen. Nicht gleich jedenfalls. Man sieht nur die Muster.«
    Zwischen den Knochen waren hier und da zerborstene Grabsteine zu sehen, die meisten

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