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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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Er war zerschunden, voller blauer Flecke, notdürftig zusammengeflickt und doch attraktiver als je zuvor.
    Inzwischen hatte man ihn von der Intensivstation in ein normales Zimmer verlegt. Er schlief. Schon seit einer halben Stunde wartete sie darauf, dass er die Augen aufschlug. Denn sie wollte ihn um etwas bitten.
    Jac wollte, dass Griffin an dem duftenden Wachs in dem ägyptischen Tongefäß roch. Wenn er nicht darauf reagierte, würde sie wissen, dass sich Malachai irrte. Dann waren ihre Halluzinationen keine Erinnerungen an frühere Leben, sondern sie war schlicht und einfach verrückt.
    Doch wenn Griffin wie sie Visionen von ihren früheren Existenzen hatte … wenn er sich daran erinnerte, wie sie einander im Laufe der Jahrhunderte immer wiedergefunden hatten … Dann waren sie wirklich Seelenverwandte,
âmes sœurs
.
    »Es war einmal, vor langer, langer Zeit«, flüsterte sie Griffin jene Worte zu, die sie immer wieder von ihrem Vater gehört hatte, »im Alten Ägypten, da entdeckte Giles L’Étoile ein Buchvoller antiker Parfümrezepturen. Eine davon ermöglichte es den Menschen, ihre Seelengefährten zu finden. Nachdem er daran gerochen hatte, änderte sich sein ganzes Leben. Das Buch und das Parfüm sind verschollen, doch eines fernen Tages wird einer der L’Étoiles sie wiederfinden, und dann …«
    Griffin öffnete die Augen und lächelte sie an.
    »Was hast du gesagt?«
    »Ich habe dir eine Geschichte erzählt.«
    »Fängst du noch mal von vorn an? Ich fürchte, ich habe das meiste verpasst.«
    Jac nickte. »Ja, später.«
    »Hast du auch geschlafen?«, fragte Griffin.
    »Ich hab’s versucht.«
    »Wie geht es Robbie?«
    Jac versicherte Griffin, dass es ihrem Bruder gut gehe und dass er bald zu Besuch kommen würde. Sie hatte Robbie noch getroffen, bevor sie ins Krankenhaus fuhr, ihm jedoch nichts von der Schriftrolle und dem Tontiegel erzählt. Das konnte sie später immer noch tun. Erst musste sie herausfinden, was mit ihr los war. Was ihre Halluzinationen bedeuteten. Ob sie Erinnerungen oder Krankheitssymptome waren.
    Griffins Handy klingelte. Er sah auf das Display und lächelte. »Es ist meine Tochter.«
    »Geh dran. Ich hole mir einen Kaffee.«
    Auf dem Weg durch die Tür hörte Jac noch, wie Griffin sich meldete. Bemerkte, wie ihm fast die Stimme brach, als er den Namen seiner Tochter sagte. Mit zitternden Händen schloss sie die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Jac musste daran denken, wie es geklungen hatte, wenn ihr Vater sie beim Namen nannte. Und an die Trennung ihrer Eltern. An ihre eigene Einsamkeit und Robbies Unglück. Die Verbitterung ihrer Eltern hatte das Leben, das die Kinder bis dahin kannten, weggefegt und tiefe Narben hinterlassen.
    »Wo finde ich die Kapelle?«, fragte sie eine vorübereilende Krankenschwester.
    Auf dem kurzen Weg von Griffins Zimmer bis in den schlichten kleinen Gebetsraum im Erdgeschoss dachte Jac an gar nichts. Sie zwang sich, alles von sich fernzuhalten und einfach nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Erst als sie sich auf eine der schmalen Bänke setzte, ließ sie die Flut wirrer Gedanken auf sich einstürmen.
    Zu Füßen einer wunderschönen, friedvollen Mariengestalt aus Marmor brannten ein Dutzend Votivkerzen in kleinen roten Haltern. Liliensträuße zu beiden Seiten der Figur mischten ihren Duft mit dem Geruch des Paraffins. Durch kobaltblaue Buntglasfenster drangen die Strahlen der Nachmittagssonne herein und tauchten den Raum in dasselbe melancholische Licht, das auch die Familiengruft von Jacs Mutter erfüllte.
    Du weißt, was zu tun ist.
    Die Stimme schien aus den Schatten des halbdunklen Gebetsraums zu kommen.
    Jac hatte nicht damit gerechnet, hier die Stimme ihrer Mutter zu hören. Seit Jahren hatte sie sie nur auf dem Friedhof vernommen.
    Weil du weißt, dass es das einzig Richtige ist.
    »Überhaupt nichts weiß ich!«, schrie Jac. Erst an dem Widerhall merkte sie, dass sie mit ihrer Mutter gesprochen hatte. Das hatte sie noch nie getan. Der Geist ihrer Mutter war für sie nie etwas anderes gewesen als eine Ausgeburt ihrer kranken Phantasie.
    Es konnte nicht falsch sein, Griffin an dem Parfüm riechen zu lassen. Wenn Jac verrückt war, würde er sich an nichts erinnern. Wenn sie nicht halluziniert hatte, würde er sehen, was sie gesehen hatte, und sie wüssten beide, dass sie schon früher ein Paar gewesen waren.
    Aber er ist stets deinetwegen gestorben. Einmal als Giles, weil Marie-Genevièves Ehemann die beiden entdeckt hat, und

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