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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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aus Türkisen und Lapislazuli stellte einen wunderschönen, katzenhaften Jüngling dar, dessen Kopf von blauen Seerosenblüten umgeben war – Nefertem, der Gott des Parfüms.
    »Aber sieh dich vor, Iset. Wenn dein Ehemann Verdacht schöpft, wird es gefährlich für dich.« Thot war gerade dabei, ihr zu erklären, was sie tun sollte, wenn er nicht mehr da war, doch sie hörte nicht richtig hin.
    Es war ihre Schuld, dass Thot sein Versprechen gegenüber der Königin gebrochen hatte. Iset hatte ihn dazu gedrängt, siean dem Parfüm riechen zu lassen, das allein der feinen Nase der Herrscherin vorbehalten war.
    Jetzt sollte ihn sein Verrat das Leben kosten. Kleopatra wollte ihn in zwei Tagen öffentlich hinrichten lassen, als Mahnung an jeden, der mit dem Gedanken spielte, sie zu hintergehen.
    Doch Thot hatte nicht vor, sich demütigen zu lassen. Er würde sich selbst das Leben nehmen. Er war ein Priester, ein Parfümeur, und hatte alles, was er brauchte, um einen tödlichen Trank anzumischen.
    »Ich habe uns diese zwei Gefäße mit Parfüm gefüllt«, sagte er. »Eins davon ist für dich. Sorge dafür, dass es dir eines Tages mit ins Grab gegeben wird, ebenso wie ich meins dabeihaben werde. Wenn wir beide diesen Duft mit ins Jenseits nehmen, werden wir uns wiederfinden.«
    Iset nahm den Tontiegel entgegen und legte beide Hände um seine kühle Rundung. Sie schloss die Augen und atmete das Parfüm. Thot hatte ihr alle Zutaten aufgezählt. Weihrauch und Myrrhe. Mandelöl. Blauer Lotus. Und die Balsampflanze Afarsemon aus einem der Dufthaine, die Mark Anton für seine Braut hatte pflanzen lassen.
    Seit das Parfüm der Seelenverwandten fertig war, hatte Iset Thot wieder und wieder dazu gedrängt, mit ihr daran zu riechen. Sie hatten gemeinsam in die Vergangenheit geblickt und die Menschen gesehen, die sie einmal gewesen waren. Vor langer Zeit. In einem anderen Leben, wie Thot ihr erklärte.
    Jetzt waren ihre Neugier und ihre Unersättlichkeit daran schuld, dass sie ihn gehen lassen und allein weiterleben musste. Ein unerträglicher Gedanke.
    In einem blauen Tonkrug auf einem niedrigen hölzernen Tisch war das Gift, das er sich zubereitet hatte. Das Gefäß schimmerte im Kerzenlicht. Es berührte kühl ihre Fingerspitzen. Und ihre Lippen.
    »Nein!«, schrie Thot und riss es ihr aus der Hand.
    Ein paar Tropfen des Gifts rannen ihr über das Kinn.
    Thot sah nach, wie viel noch übrig war.
    »Habe ich genug getrunken?«, fragte Iset ohne Angst. Sie würde nicht zurückbleiben. Sie würde mit ihm gehen.
    »Mehr als genug. Begreifst du nicht, was du da getan hast? Es gibt kein Gegengift. Keine Rettung.« Dann nahm er selbst den Krug und setzte seine Lippen an den Rand, wo eben noch ihre gewesen waren. Er trank.
    »Niemand weiß, wo ich bin. Ich habe mich von zu Hause fortgeschlichen. Mein Tod wird ein Geheimnis bleiben. Ich will nur mit dir zusammen begraben sein, das ist alles, was zählt.«
    »Warum hast du das getan? Du hättest weiterleben können. Du warst außer Gefahr. Dein Ehemann wusste von nichts.«
    »Was geschieht jetzt mit uns?« Sie ignorierte seine Fragen. »Wird es wehtun?«
    »Nein. Wir werden einfach einschlafen. Einander umarmen und uns an diesem wunderschönen Ort zur Ruhe legen.«
    »Küss mich.«
    Thot zog Iset an sich. Sie schmeckte das bittere Gift auf seinen Lippen. Glücklich, dachte sie. Solange ich bei ihm bin, bin ich glücklich. Dann fühlte sie, wie ihr etwas Feuchtes die Wange hinunterrann, und hob den Kopf. Es waren nicht ihre Tränen, sondern Thots. Iset machte es nichts aus, diese Welt zu verlassen. Thot war ihre Welt. Ohne ihn ergab ihr Leben keinen Sinn. Doch für ihn war es anders. In seinen Augen lag ein Ausdruck tiefer Reue.
    »Was hast du?«
    »Ich habe mein Werk nicht vollenden können.«
    Und das war ihre Schuld. Sie hatte ihn unglücklich gemacht. Es war unverzeihlich. Wenn sie es nur rückgängig machen könnte, das Schicksal ändern könnte!
    Am liebsten hätte Iset die Trauer aus seinen Augen fortgeküsst, doch sie begriff, dass es nicht in ihrer Macht stand. Trotzdem legte sie ihre Lippen auf die seinen. So würden sie zumindest unter Küssen sterben.

Dreiundsechzig
     
     
    PARIS, FRANKREICH
    SONNTAG, 29. MAI, 17:15 UHR
     
    In ein Stück ganz normaler Luftpolsterfolie eingewickelt, steckte das kostbare Artefakt in Jacs Lederhandtasche. Es war eine ihrer Lieblingstaschen, die sie schon seit Jahren benutzte. Je abgewetzter sie war, desto schöner wurde sie. Wie Griffin, fand Jac.

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