Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)
hatten, als sie den Römern zu überlassen. In der Wüstengegend, wo früher die königlichen Gärten geblüht hatten, suchten heute Botaniker nach Samen, aus denen man die Balsambäume wieder ziehen konnte. Wenn sie fündig wurden, würde Robbie vielleicht eines Tages in der Lage sein, das Parfüm neu zu komponieren. Er hatte wieder und wieder an dem kleinen Tiegel gerochen, doch außer den leichten Kopfschmerzen hatte der Duft bei ihm nichts ausgelöst.
War es ein olfaktorischer Auslöser psychotischer Schübe oder eine Erinnerungshilfe? Robbie konnte es Jac nicht beantworten. Sie hatte Malachai angerufen und ihn gefragt, ob Rückführungen bei jedem Menschen möglich waren.
»Nein«, hatte er geantwortet und dabei unendlich traurig geklungen. »Warum fragst du?«
Jac hatte es ihm nicht erzählt. Er hätte nur den Tiegel haben wollen, und Robbie und Jac hatten beschlossen, dass sie nichtdas Recht hatten, ihn fortzugeben. Er gehörte jemand anderem. Selbst wenn das bedeutete, dass sie Rouge und Noir verkaufen mussten. Sie brachten damit kein Opfer, hatte Robbie gesagt. Es war nur die Vergangenheit, und sie mussten sich um die Gegenwart kümmern.
Jac kniete sich neben ihren Vater und sah ihn an. Versuchte, seinen Blick einzufangen, und hoffte, dass er sie verstand. »Das hier hast du gefunden, oder?«, fragte sie.
Er sah sich an, was sie in der Hand hielt.
Dann nickte er. »Ja. Es war in der Orgel versteckt.«
»Robbie und ich wollen es dir wiedergeben.«
Er nahm ihr den Tiegel aus der Hand, beugte sich darüber und atmete tief ein.
Als er sich wieder aufrichtete, sah er Jac mit einem Lächeln in seinen blauen Augen an. »Bitte verzeih mir«, flüsterte er.
»Wofür denn?«
»Ich habe nicht gut auf dich achtgegeben.«
Jac wusste nicht, was er meinte. Als er in Paris nach dem richtigen Arzt für sie gesucht hatte? Als er sie in die Schweizer Klinik geschickt hatte?
»Was meinst du?«
»Ich hätte wissen müssen, dass du Giles immer noch liebst. Es war nicht richtig, dir einen neuen Ehemann zu suchen. Wenn ich nur auf deine Mutter gehört hätte, wärst du nicht weggelaufen. Nicht gequält worden. Man hat uns gesagt, sie hätten dich ertränkt …« Eine Träne lief ihm über die Wange.
Er griff nach Jacs Hand, führte sie zum Mund und küsste sie. »Als Vater hätte ich auf meine Tochter achtgeben müssen, und ich habe versagt.«
»Nein, Papa«, sagte Jac. »Nein, Papa, du hast nicht versagt. Es geht mir gut, siehst du? Sie wollten mich ertränken, aber ich habe überlebt. Ich habe geheiratet und Kinder bekommen, Papa.«
»Du hast Giles geheiratet?«
»Nein, jemand anderen. Wir haben unsere älteste Tochter nach Maman benannt.«
Jacs Vater lächelte, als er sich an Dinge erinnerte, die alle außer ihnen vor langer, langer Zeit vergessen hatten.
Und dann vergrub Jac ihren Kopf in seinem Schoß und weinte, und er strich ihr über das Haar, und sie tat, was Robbie immer prophezeit hatte: Sie verzieh ihrem Vater.
Glossar
Bevor dieses Buch entstand, hatte Melisse J. Rose bereits seit über zwei Jahrzehnten zur Reinkarnation und zu geschichtlichen Themen recherchiert. Zur Vorbereitung auf Jacs Geschichte verbrachte sie dann zweieinhalb Jahre mit Erkundungsreisen in die Welt des Parfüms. Die Autorin hat im Zuge ihrer Recherchen Kontakt zu Branchengrößen aufgenommen, alte Abhandlungen zur Parfümherstellung und zur Alchemie gelesen, Blumenzuchten und Fachkonferenzen besucht und Zeit mit Duftarchitekten, berühmten Nasen und Nischenparfümeuren verbracht.
Dieses Glossar bietet einen Einblick in die Ergebnisse ihrer Nachforschungen zu einigen der Themen, Orte, Theorien und Mythen, die im Roman angesprochen werden.
Absolue
Ein hochkonzentrierter Duftstoff, der mit Hilfe von Lösungsmitteln aus Pflanzen gewonnen wird. Absolues werden in der Parfümherstellung häufig anderen Extrakten vorgezogen, weil sie ohne Zuhilfenahme hoher Temperaturen gewonnen werden, die die empfindlicheren Duftkomponenten zerstören könnten. Sie kommen daher dem Duft der Ursprungspflanzenäher als Duftstoffe, die zum Beispiel durch Dampfdestillation gewonnen wurden.
Antike Parfüms
Die Geschichte der Parfümherstellung spielt in Roses Roman eine große Rolle und war eine wichtige Inspirationsquelle für die Autorin. Man geht davon aus, dass die Kunst der Parfümherstellung in Mesopotamien ihren Ausgang genommen hat. Die ersten erhaltenen Aufzeichnungen aus dieser Region stammen aus dem zweiten Jahrtausend
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