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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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trotzdem.«
    Jac nippte an der bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Es brannte ihr in der Kehle. Sie hatte sich nie so recht mit Cognac anfreunden können, selbst wenn er so lange gereift war wie dieser.
    »Ist hier irgendwo auch eine Stereoanlage versteckt?«, fragte Griffin.
    Jac deutete auf ein weiteres verspiegeltes Wandpaneel auf der anderen Seite des Tresens. »Willst du etwa Musik hören?«
    Griffin schüttelte den Kopf und legte einen Finger an die Lippen. Sie erinnerte sich an das, was er im Restaurant gesagt hatte: Wenn die Polizei sie beobachtete, belauschte man sie vielleicht auch.
    Griffin drückte auf die rechte obere Ecke des Spiegels, und die Stereoanlage drehte sich nach vorn. Er sah nach, ob eine CD eingelegt war, und drückte auf »Play«.
    Schweigend wartete er, bis die Musik einsetzte. Die ersten Takte von Saint-Saëns’
Danse macabre
erfüllten den Raum.
    Jac erkannte das Stück sofort. »Volltreffer.« Ihre Stimme troff vor Sarkasmus.
    Sie nahm mit ihrem Drink auf dem Sofa Platz.
    Er griff sich einen Stuhl und setzte sich ihr gegenüber. »Ich weiß, wie wichtig es dir ist, ihn zu finden«, sagte er leise. »Aber du musst mir vertrauen. Wir dürfen nichts überstürzen.«
    »Ich kann einfach die Vorstellung nicht ertragen, dass er allein und in Angst da unten festsitzt.«
    Griffin nahm einen Schluck Cognac. »Wir haben keine Wahl, als bis morgen zu warten.«
    »Du verstehst das nicht.« Es klang härter, als sie es gemeint hatte.
    Griffin stellte sein Glas ab und stand auf. »Wenn es dir lieber ist, gehe ich ins Hotel zurück.«
    Am liebsten hätte sie gesagt, dass es ihr tatsächlich viel lieberwar. Doch sie schüttelte den Kopf, rieb sich die Handgelenke und sagte: »Nein. Entschuldige.«
    »Vielleicht habe ich nicht so viel Angst um ihn wie du«, sagte er mit einer Stimme, die Jac berührte wie eine Umarmung. »Aber ich will ihn genauso sehr finden. Also hör bitte auf, gegen mich zu kämpfen. Ich stehe auf deiner Seite.«
    Jac schloss die Augen.
    »Weißt du irgendetwas über den Schacht da draußen?«, fragte Griffin.
    »Es ist wieder eine dieser Legenden, die meine Familie gesammelt hat wie andere Leute Porzellanfigürchen. Hast du mal von den
Carrières de Paris
gehört?« Ihr fiel auf, dass sie den französischen Ausdruck gebraucht hatte. »Von den Steinbrüchen von Paris?«
    »Ja. Die ganze Stadt ist auf Minenschächten erbaut, die teilweise noch aus dem dreizehnten Jahrhundert stammen, oder? Das Baumaterial für ganz Paris wurde damals von da unten heraufbefördert, und so entstanden die Stollen und Höhlen, die man heute die Katakomben nennt. Als Archäologe hört man früher oder später davon.«
    »Siebzehnhundertsiebenundsiebzig fing man damit an, Tote von den überfüllten überirdischen Friedhöfen zu exhumieren, wo die hygienischen Verhältnisse unhaltbar geworden waren, und sie in die Tunnel umzubetten«, fuhr Jac fort. »Also kurz bevor die Revolution Fahrt aufzunehmen begann. Damals war das Haus L’Étoile schon gegründet. Mein Großvater witzelte manchmal, unsere Vorfahren seien nicht oben im Himmel, sondern unten im Keller. ›Die ganze Stadt ist auf einem Höllenschlund erbaut‹, sagte er immer. Wenn ich als kleines Mädchen nicht bekam, was ich wollte, stampfte ich manchmal mit dem Fuß auf, und …«
    »Warum wundert mich das nicht?«
    Jac ignorierte Griffins Einwurf. »Und dann sagte GroßvaterCharles, ich sollte lieber vorsichtig sein. ›Wenn du zu fest aufstampfst, trittst du ein Loch in die Erde und fällst hinein. Dann musst du dich da unten mit den Gerippen unterhalten.‹«
    Jac vermisste ihren Großvater bis heute. Er war gestorben, als sie schon in Amerika lebte. Alle Verwandten, die ihr etwas bedeuteten, waren tot – außer Robbie.
    »Ich habe ihm nicht geglaubt«, fuhr sie fort. »Ich fragte ihn immer, woher er wüsste, dass da unten Leute begraben waren. Als ich alt genug war, erzählte er mir, dass sein Bruder und er im Zweiten Weltkrieg in der Résistance waren und das Tunnelsystem nutzten, um alliierten Soldaten und Piloten zur Flucht zu verhelfen.« Jac stand auf und stellte sich an die Glastür zum Garten. Die Büsche da draußen hatte ihr Großvater selbst gepflanzt. Er hatte alte Rosensorten aus ganz Frankreich und England importiert und sie gekreuzt, um an neue, einzigartige Duftnoten zu gelangen.
    Ein feiner Nieselregen senkte sich wie ein schimmernder Vorhang. Jac öffnete die Tür und atmete die halbsüßen, grünen Geruchsnoten in der kühlen

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