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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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konnten. In den Jahren darauf wurden die Katakomben als Gefängnis und als Fluchtweg, als Schlupfwinkel der Résistance oder als Galerien für die künstlerische Avantgarde genutzt. Zuletzt war bis auf anderthalb Kilometer Tunnelstrecke, die als Touristenattraktion dienten, alles abgesperrt worden. Doch die Verbote hinderten die Kataphilen nicht daran, aus den verschiedensten Gründen in den Untergrund zu gehen.
    »Es ist verboten, die anderen Tunnel zu betreten«, las Jac vor. »Die Artikel hier über Leute, die sich verirrt haben und nie wieder aufgetaucht sind, lese ich lieber gar nicht erst. Insgesamt ist das Wegenetz fast fünfhundert Kilometer lang. Es ist nicht vollständig kartiert, nicht gekennzeichnet und teilweise gefährlich.«
    »Ich bin durch Pyramiden gekrochen. Ich weiß, was ich tun muss, um auf uns aufzupassen.«
    »Und weißt du auch, wie wir Robbie finden? In so einem riesigen Netz?«
    »Er hat dir den Weg zum Eingang gewiesen. Also wird er es auch schaffen, dich zu ihm zu führen.«
    Als Jac von der Seite Griffin ansah, wunderte sie sich über den merkwürdigen Zufall, dass er in diesem Augenblick neben ihr saß. In der griechischen Mythologie erschienen sieben Tage nach der Geburt jedes Kindes die Moiren, um das Schicksal des Neugeborenen zu bestimmen. Klotho spann den Lebensfaden, Lachesis maß ihn, und Atropos entschied, wie alt das Kind werden und woran es sterben sollte, und schnitt den Faden ab. Trotz der Macht, die den drei Göttinnen zugeschrieben wurde, blieb den Menschen die Freiheit, ihr Schicksal zuverändern. Jac verstand die Mythen metaphorisch und glaubte nicht an die Vorsehung. Dennoch ließ es sie aufmerken, dass gerade er jetzt in Paris war – Griffin, der als Archäologe genau die Fähigkeiten besaß, die man brauchte, um ihren Bruder zu finden.
    »Es gibt keinen Zufall«, hörte sie ihren Bruder sagen. Und noch jemand hatte vor kurzem dasselbe gesagt. Richtig, Malachai Samuels.
    Jac sah wieder auf den Bildschirm. »Hier steht, dass die meisten Tunnel in einer Tiefe von über dreißig Metern liegen. Hattest du das nicht geschätzt, als du die Kerze reingeworfen hast? Dass der Schacht dreißig Meter tief ist?«
    »Der Fallzeit nach zu urteilen, ja.«
»Das sind, je nach Höhe, fünf bis sieben Stockwerke, oder?«
Griffin nickte.
    »Über doppelt so hoch wie unser Haus.«
    »Du musst da nicht runter, wenn es dir unangenehm ist. Ich kann allein gehen. Ich war schon tiefer unter der Erde und finde es nicht schlimm.«
    »Es geht um Robbie. Ich schaffe das.«
    »Es gibt ein paar Tricks, um mit der Angst fertigzuwerden. Man darf zum Beispiel nie an das denken, was vor einem liegt. Dass man nicht erkennen kann, wie tief es noch hinuntergeht, ist für viele das Schlimmste dabei.«
    »Ich habe keine Angst vor Höhen, also werde ich wohl keine Angst vor der Tiefe haben.«
    »Und vor der Dunkelheit?«
    »Die Dunkelheit mag ich. Sie ist tröstlich.«
    Griffin lachte. »Dann wirst du es da unten mögen. Dunkel ist es ganz bestimmt. Natürliches Licht dringt in solche Tiefen nicht vor.«
    Sie stellten für den nächsten Morgen eine Einkaufsliste zusammen.
    Jac sah auf die Uhr auf dem Kaminsims. Es war zehn Uhr. »Noch zwölf Stunden, bis die Geschäfte aufmachen.«
    Griffin folgte ihrem Blick. »Du solltest versuchen zu schlafen.«
    »Das kann ich sowieso nicht.«
    »Du tust Robbie keinen Gefallen, wenn du morgen völlig erschöpft bist.« Griffin stellte sein Glas auf dem Tresen ab. »Aber du solltest besser nicht allein sein. Ich schlafe auf der Couch.«
    »Ich habe keine Angst vor dem Alleinsein.«
    »Nein, ich weiß.« Griffin klang beinahe traurig. »Aber ich habe Angst um dich, und ich kann besser schlafen, wenn ich weiß, dass du nicht allein hier bist.«
    »Ich bin nicht in Gefahr, Griffin.«
    Er nickte nur.
    »Oder glaubst du doch?«
    »Ich will einfach kein Risiko eingehen.«
    Jac sah ihn an. Ließ seinen Blick nicht los. Früher hatte sie sich für ihre Zukunft so vieles ausgemalt, und in allen Geschichten war Griffin vorgekommen. Sie hatte gedacht, sie würden ihr Leben zusammen verbringen. Sie hatte so fest an ihn geglaubt, wie man an niemanden glauben sollte, das wusste sie jetzt. Ja, sie hatte große Erwartungen an ihn gehabt. An ihn und an Robbie und auch an sich selbst. Vielleicht hatte er sich unter Druck gesetzt gefühlt. Vielleicht war es falsch gewesen, zu glauben, dass ein Mensch sich über seine Erfolge definiert. Aber er hatte Erfolg gehabt, oder?
    »Warum schüttelst

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