Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)
glaubt, dass der Tiegel echt ist und dass es das Parfüm wirklich gibt. Er ist ein brillanter Wissenschaftler, aber … Findest du nicht, dass wir eine ziemlich klägliche Spezies sind?«
»Weil wir immer etwas suchen, an das wir glauben können?«
Jac nickte. »Mythologie ist die Bezeichnung des einen für die Religion des anderen.«
»Ah, dein alter Freund Joseph Campbell.«
Sie lachte, aber nicht freudvoll, sondern resigniert.
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, sagte Griffin. Jetzt klang er ebenso bedrückt wie sie.
Der Himmel war bedeckt, und es war ein wenig zu kalt für Ende Mai. Melancholisches Wetter. Doch die Melancholie stand Paris gut zu Gesicht. Die Stadt trug die Wolkendecke mit derselben Selbstverständlichkeit wie ihre Bewohnerinnen die Haute Couture. Jac öffnete ihr Fenster. Draußen roch es nach dem nahen Fluss, dem Straßenverkehr, den Rosenkübeln vor dem Blumenladen an der Ecke und dem frischen Brot vom Bäcker. Wie verschiedene Stimmen in einer Symphonie vereinigtensich die Gerüche zu einem einzigartigen Aroma, das keine andere Stadt hervorbringen konnte – vielleicht sogar keine andere Tages- und Jahreszeit.
»Hinter uns ist ein dunkelblauer Wagen. Er folgt uns, seit wir losgefahren sind«, sagte Griffin.
»Die Polizei?«
»Ich weiß nicht … Meinst du, sie sind wirklich so ungeschickt? Aber keine Sorge. Wir haben über eine Stunde Zeit, in einen Laden zu kommen, der fünf Minuten entfernt ist. Die werden wir schon los.«
An der nächsten Ecke bog Jac links ab, und das Auto fuhr geradeaus.
»Okay, es ist weg«, sagte Griffin. »Und ich glaube nicht, dass sonst noch jemand hinter uns her ist. Noch jedenfalls nicht. Fahr hier einmal um den Block. Schön langsam.«
»Du scheinst dich ja mit so was gut auszukennen.«
»Alles, was ich weiß, habe ich aus Filmen, die ich im Flugzeug sehe, und meiner Lektüre nach der Arbeit. Ich nehme mir immer wieder vor, Bücher zu lesen, die in der
New York Times
rezensiert werden, aber ich kann mir nicht helfen – hochtourige Thriller sind mir immer noch am liebsten. Wenn meine Lieblingsautoren gut recherchiert haben, sollte alles glattgehen. Wenn nicht – tja …«
»Das klingt nicht gerade beruhigend.«
»Nein, vermutlich nicht.«
Sie schwiegen eine Weile, dann sagte Griffin: »Es könnte natürlich ein zweites Auto geben. Vielleicht haben sie jemanden angerufen, der die ersten Verfolger ablösen soll. Aber fürs Erste sieht es aus, als hätten wir sie abgeschüttelt.«
»Abgeschüttelt. Wie dramatisch.«
»Besser kann ich’s nicht. Also sei nett zu mir, okay?«
Jac nickte. »Griffin?«
Sie sah aus dem Augenwinkel, dass er sich ihr zuwandte.
»Glaubst du, Robbie geht es gut?«
»Ja. Er ist einfallsreich. Und clever. Aber vor allem glaubt er an das, was er tut. Wenn es jemanden gibt, der aus bloßer Willenskraft alles übersteht, dann Robbie.«
Ein paar Straßen weiter schlug Griffin vor, frühstücken zu gehen. »Wir haben noch viel Zeit, bis der Laden aufmacht. Lass uns etwas suchen, wo wir einen guten Blick auf die Straße haben.«
Jac bog einmal links und einmal rechts ab und hielt vor einem Café.
Sie wählten einen Tisch am Fenster mit Blick auf den breiten Boulevard.
Zum Frühstück bestellten sie Café au Lait und Croissants, die sie wortkarg und mit wenig Appetit zu sich nahmen. Keiner von beiden sprach über die Nacht davor, doch Jac hatte das Gefühl, dass es in ihrem Schweigen mitschwang. Sie wusste selbst nicht, ob es bei ihrer nächtlichen Begegnung um sie und Griffin gegangen war oder nur um eine Auszeit von der schrecklichen Situation. Das würde sie noch herausfinden müssen, aber erst, wenn Robbie wieder da war. In Sicherheit.
»Ich habe ungefähr zweihundert Euro«, sagte Griffin. »Das sollte eigentlich für unsere Ausrüstung reichen. Wenn nicht, hast du noch Bargeld?«
»Ich habe eine Kreditkarte.«
»Mit Karte sollten wir besser nicht bezahlen. Das kann man zurückverfolgen.«
»Wenn wir die Sachen erst einmal haben, wie kriegen wir sie dann ins Haus zurück, ohne dass die Polizei merkt, was wir vorhaben?«, fragte Jac.
Griffin nippte an seinem Kaffee. »Hat Malachai dir in dem Brief seine Telefonnummer geschickt?«
Jac holte den Umschlag aus ihrer Handtasche und reichte ihn über den Tisch.
Griffin tippte die Nummer in sein Handy. »Malachai, hier ist Griffin. Jac und ich, wir brauchen deine Hilfe.«
Am späten Vormittag hielt Jac vor dem Haus L’Étoile. Falls sie jemand beobachtete, konnte er
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