Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)
hier?«
Malachai hatte über die Jahre festgestellt, dass Field stets bestens informiert war. Er kannte nicht nur die Lieblingsdrinks seiner Kunden, sondern hielt sich auch über ihre Karriere auf dem Laufenden.
»Eine Patientin.«
»Ein Kind?«
»Ein kleines Mädchen mit wirren Erinnerungen.«
»An frühere Leben?«, fragte Field.
»Sie glaubt es nicht. Ich schon.«
»Vor ein paar Wochen habe ich gerade an Sie gedacht. Da stand in der Zeitung etwas über das Reinkarnationsverbot der Chinesen. Was halten Sie davon?«
»Eine absurde Regelung. Politische Kraftmeierei. Eine reine Machtdemonstration.« Malachai aß ein paar Nüsse. »Was mit Tibet und seinen Traditionen geschieht, ist eine Tragödie.«
Malachai trank aus, bezahlte und ging. In dem langen Flurzur Hotellobby sah er sich die Schaukästen mit Antiquitäten, Porzellan und Accessoires an. Es gab Seidenkrawatten, goldene Manschettenknöpfe, teure Mobiltelefone, Uhren und Füllfederhalter, aber auch Schmuck, Schals, Unterwäsche und Handschuhe.
Vor einer der Schmuckvitrinen blieb er stehen. Er betrachtete die Armreife aus Gold und etwas, das wohl Weißgold oder Platin sein musste, mal mit Brillanten besetzt, mal schlicht. Ganz unten entdeckte er ein Armband. Kettenglieder aus geschwärztem Gold. Keine Steine, nur wuchtige Kettenglieder, fast fünf Zentimeter breit. Er stellte sich vor, wie es Jacs schlanke Handgelenke betonen würde.
In der Lobby angekommen, bemerkte er plötzlich einen Geruch, der ihm noch nie aufgefallen war. Er hielt inne und schnupperte. Es war ein würziger, warmer Duft. Sehr einnehmend. Ja, Jac hatte recht. Je mehr man sich mit Gerüchen beschäftigte, desto mehr entwickelte man auch ein Vokabular dafür.
»Verbrennen Sie hier Räucherstäbchen?«, fragte Malachai den Portier.
»
Non, Monsieur.
Das ist unser Hausparfüm. Es heißt Ambre. Tagsüber können Sie es hier käuflich erwerben.«
Malachai dankte ihm und trat auf den Vorplatz des Hotels hinaus.
»
Un taxi?
«, fragte ihn der Wagenmeister.
In dem Moment hielt ein großer schwarzer Mercedes mit verdunkelten Scheiben vor ihnen. »Ich glaube, ich werde gerade abgeholt.«
Der Hotelangestellte fragte den Fahrer, wen er abholen wollte, und wandte sich dann wieder Malachai zu. »Dr. Samuels?«
Erst als sie die Place Vendôme hinter sich gelassen hatten und in die Rue de Tivoli einbogen, begannen die Männer im Wagen miteinander zu sprechen.
»Danke, dass Sie so pünktlich gekommen sind, Leo.« Malachai sah in den Innenspiegel. Der Fahrer erwiderte seinen Blick. Er trug eine schwarze Uniform, ein weißes Hemd und eine Chauffeursmütze, unter der dichte dunkle Locken hervorquollen. Er hatte eine Sonnenbrille auf und schien Anfang dreißig zu sein, doch das konnte auch täuschen.
»Aber selbstverständlich«, sagte Leo mit einem deutlichen italienischen Akzent.
»Winston hält große Stücke auf Sie. Sie haben also zusammen bei Interpol gearbeitet?«
»Genau.«
»Und wie lange sind Sie jetzt selbständig?«
»Seit ein paar Jahren.«
Leo schien nicht sehr gesprächig zu sein. Das war Malachai nur recht. Er wollte keinen Smalltalk, sondern Ergebnisse.
»Haben Sie irgendwelche neuen Erkenntnisse?«
»Ja. Etwas mehr, als wir heute Morgen Winston mitteilen konnten.«
Malachai hoffte, dass sie Robbie gefunden hatten. »Über L’Étoile?«
»Nein. Die Polizei hat noch keine Anhaltspunkte, wo er sein könnte, und …«
»Also, was dann?«, unterbrach Malachai ihn.
»Sie haben den Mann identifiziert, der tot in der Parfümerie auf der Rue des Saints-Pères aufgefunden wurde. Er war kein Reporter, sondern Jazzmusiker. Ein ziemlich erfolgreicher.«
»Und warum hat er sich als Reporter ausgegeben?«
»Es sieht danach aus, als habe er noch einen Nebenberuf gehabt.«
Malachai verstand. »Für wen hat er gearbeitet?«
»Für die hiesige chinesische Mafia.«
Wie sonderbar, dass auch Colin Field gerade noch auf die Chinesen zu sprechen gekommen war.
»Das sind ausgesprochen schlechte Neuigkeiten«, sagte Malachai mehr zu sich selbst als zu Leo. »Das bedeutet, dass sie wissen, was L’Étoile gefunden hat. Sie werden nichts unversucht lassen, es zu bekommen.«
Achtunddreißig
FREITAG, 27. MAI, 8:30 UHR
Als Jac und Griffin am nächsten Morgen gerade aufbrechen wollten, überbrachte der Gepäckträger des L’Hotel Malachais Brief. Jac überflog ihn. Während sie Robbies Citroën auf die Straße manövrierte, erzählte sie Griffin, was darinstand.
»Er
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