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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Chef!« sagte Dr. Crichi.
    Der junge Arzt öffnete die am nächsten liegende Tür und ließ sie aufschwingen.
    Ein großes fensterloses Zimmer, taghell angestrahlt aus in die Decke versenkten Leuchtstoffröhren. Sieben Betten, aus denen man die Matratzen gerissen und zerfetzt hatte. In diesem Durcheinander, zwischen zerschlagenen Nachttischen und Kleiderschränken, lagen oder saßen mit stumpfsinnigem Blick, bewegungslos, wie gelähmt, sieben junge Männer. Sie hoben die Köpfe nicht, als die Tür aufging, sie blickten Volkmar nicht an. Das Gas, das sie eingeatmet hatten, hatte jeden Kontakt mit der Umwelt zerstört.
    »Sie leben noch«, sagte Dr. Crichi erlöst. »Hätte das einen Rummel gegeben! Aber so genau wußte ich die Dosierung auch nicht; ich habe bei Dr. Nardo nur einmal zugesehen.«
    Volkmar antwortete nicht. Er drehte sich um und verließ wortlos die obere Etage von Block III. Mit dem geheimen Fahrstuhl fuhr er wieder hinunter in die Zentralhalle und ging in sein Zimmer. Erst dort kam es zum Zusammenbruch. Er sank auf die Ledercouch, bedeckte das Gesicht mit beiden Händen und begriff plötzlich, daß es im Leben eines Menschen Situationen geben kann, in denen er sich den Tod wünscht. Er hatte bisher nie Verständnis für Selbstmörder aufbringen können. Nichts kann so ausweglos, so unerträglich, so niederzwingend sein, daß man sein Leben wegwerfen müßte, hatte er immer gesagt, wenn er in München mit einem geretteten Selbstmörder sprach. Die meisten klagten: »Warum haben Sie mich bloß nicht sterben lassen, Doktor? Ich kann nicht mehr leben!« Und er hatte stets geantwortet: »Man kann! Für das Leben gibt es keinen Ersatz. Auch im Himmel nicht!«
    Jetzt sah er ein, daß das nur dumme Sprüche gewesen waren. Sterben. Auf der Stelle umfallen und nicht mehr sein … Das wäre herrlich. Fort aus dieser Welt, die aus Mord und Betrug, Gemeinheit und Lüge zusammengeschweißt wurde. Wie hatte es Sartre ausgedrückt? Die Hölle, das sind wir! Welch ein mildes, versöhnliches Wort gegen das, was sich hier offenbarte!
    Sterben. Es gab nur diesen Ausweg. Mit diesem Wissen konnte man nicht mehr leben …
    So traf ihn Loretta an, eine Stunde später. Er lag noch immer auf der Couch, die Hände vor dem Gesicht. Als die Tür zuklappte, spreizte er die Finger und streckte sie weit von sich.
    »Komm nicht näher!« sagte er heiser. »Komm bloß nicht näher! Ich flehe dich an: Faß mich nicht an! Du weißt nicht, wen du berührst! Loretta, geh bitte!«
    Sie blieb an seinem Schreibtisch stehen und lehnte sich gegen die Kante. Ihr Gesicht wurde weiß vor Angst. »Was ist passiert?« fragte sie und kam, obwohl er sie abwehrte, näher. »Enrico! Mein Gott, wie siehst du denn aus?«
    »Ich kann gar nicht so aussehen, wie ich bin!« Er richtete sich auf und riß das Hemd bis zum Gürtel seiner Hose auf, als ersticke er.
    »Ist – ist eine Operation mißlungen?«
    »Operation?! Sprich das nie mehr aus! Nie mehr!« schrie er. »Du hast die Flugkarten nach Rom? Schön! Sehr schön! Flieg sofort nach Rom und dann weiter, in den äußersten Winkel der Welt, wo man den Namen Soriano nicht kennt! Du hast ja deinen Paß! Verkrieche dich irgendwo, nimm einen anderen Namen an und vergiß, vergiß ganz schnell, daß du Soriano heißt! Giuseppe – der Wächter? Kein Problem. Ich gehe hinaus und bringe ihn einfach um! Ein Toter mehr – was macht das jetzt noch aus? Vielleicht kann man sein Herz gebrauchen! Es warten ja noch vier Kranke auf ein neues Herz. Viermal zwei Millionen Dollar … Da lohnt es sich doch, einen umzubringen! Es sind schon viele für viel weniger Geld ermordet worden, für eine Flasche Kognak, für ein Kofferradio! Wo ist Giuseppe? Ich mache den Weg für dich frei!« Er wich vor ihr zurück, als sie auf ihn zutrat, und streckte die Arme wieder aus. »Nicht anfassen!« schrie er. »Wo ist dein Vater?«
    »In – in Palermo«, sagte Loretta stockend. Sie starrte Volkmar entsetzt an. »Er verteidigt vor Gericht einen Taschendieb …«
    »Er verteidigt!« schrie Volkmar und lachte wie ein Wahnsinniger. »Vor Gericht! Der gute Anwalt Soriano! Der Kinderfreund! Der Wohltäter der armen Alten! Küßt dem Kardinal den Ring, und der Papst segnet ihn! Und jeden Sonntag sitzt er in der vordersten Bank und empfängt die heilige Kommunion! Der gute, gute Dr. Soriano! Und kann zum Tode verurteilte Leben retten! Kann Herzen verkaufen! Neue Herzen! Gesunde Herzen! Kräftige Herzen! Junge Herzen! Keins älter als

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