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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nennen Sie uns Namen, die Ihnen einfallen. Jeder Name ist nützlich!«
    »Ist dieser Dottore ein so wichtiger Mann?« fragte Oreto. Er las die rotumrandete Notiz noch einmal und hob die Schultern. »Madonna, habt ihr es in Palermo schon nötig, mit solchen Geschäften Geld hereinzubringen? Was ist los bei euch da drüben auf Sizilien?«
    »Namen, Don Adriano!« sagte Gallezzo laut. »Wir haben wenig Zeit. Wir machen uns Sorgen.«
    »Um den deutschen Arzt?«
    »Er ist seit über vier Tagen verschwunden, und noch keiner hat Lösegeld gefordert.«
    »Vielleicht ist er tatsächlich ertrunken?«
    »Namen!«
    Adriano Oreto setzte sich in seinen breiten Schreibtischsessel, legte das Schnellfeuergewehr wie einen riesigen Brieföffner auf die Schreibtischunterlage und blickte an die Decke. Wer käme da in Frage, überlegte er angestrengt. Man kennt sie ja alle, die lieben Brüder und Schwestern, die in der Sonne stehen, aber mit den Schatten arbeiten. Doch es kann auch Einzelgänger geben, Neulinge, Wirrköpfe, die den Segen einer guten Organisation noch nicht erkennen wollen. Da ist es fast unmöglich, einen Hinweis zu wagen.
    Was Oreto im stillen befürchtet hatte, sprach Gallezzo aus: »Es waren keine Profis, Don Adriano. Sie haben zum Beispiel das Auto des Dottore stehenlassen. Ein solches Nebengeschäft läßt man sich doch nicht entgehen.«
    »Dann ist es aussichtslos, Signori.« Oreto hob beide Hände, als verkünde er tieftraurig seinen Konkurs. »Wenn irgend jemand auf Sardinien einen Arzt klaut, wie soll ich das wissen?!«
    »Ein paar Namen würden uns vielleicht doch weiterhelfen, Don Adriano.«
    Oreto nickte. Und dann tat er etwas, was er später sehr bereuen sollte. Er nannte die Namen von zehn Leuten, denen er zutraute, daß sie mit Kidnapping ihr Geld verdienten.
    »Aber keiner ist dabei, der ein so schönes Auto nicht in die nächste Lackierkabine fahren würde, um es umspritzen zu lassen«, sagte er noch. »Es sind kluge Jungs, alle …«
    Gallezzo verließ nach einigen Höflichkeitsfloskeln das Büro Don Adrianos. Im Sekretariat warteten Alfredo und sechs Mann mit schußbereiten Maschinenpistolen, an allen Türen und vor dem Haus standen weitere gut ausgebildete Schützen.
    »Keine Aufregung, Fratello!« sagte Gallezzo freundlich und drückte den Lauf der MPi in Richtung Boden. »War alles ein Irrtum! Wer sagt jetzt den anderen Bescheid, daß wir das Haus verlassen dürfen?«
    »Wir gehen mit!« Alfredo starrte auf den Lautsprecher und wartete anscheinend auf einen Befehl des Don. Auch Oreto schien das zu spüren, denn es knackte, und seine ruhige Stimme füllte den Raum.
    »Freie Fahrt für meine Freunde aus Sizilien!« sagte er.
    »Verstanden, Don Adriano.« Alfredo winkte mit der MPi. Als seien sie Gefangene, die abgeführt werden, verließen sie alle das Bürogebäude und gingen hinüber zu dem großen Wagen, den sich Gallezzo geliehen hatte. In Türnischen und hinter anderen geparkten Autos sah er Köpfe auftauchen.
    »Es klappt bei euch!« sagte Gallezzo anerkennend. »Wieviel seid ihr?«
    »Genug, um den Carabinieri den Krieg erklären zu können.« Alfredo wartete, bis die vier ehrenwerten Männer im Wagen saßen. Dann hob er die Hand. »Viel Glück weiterhin!«
    Mit einem Satz sprang der Wagen vorwärts und fuhr sehr schnell aus dem Fruchthof hinaus.
    »Hat einer eine Zigarette?« fragte Alfredo. Er warf die MPi am Riemen hinter seinen Rücken. »Ich muß einen anderen Geruch haben. Dieses Parfüm ist ja zum Kotzen!«
    Bis zum Abend gab es bereits drei Tote. Aber das wußte keiner, denn niemand sprach darüber. Die Toten entstammten einer Gesellschaftsklasse, in der Sterben zum täglichen Risiko gehört. Zwar hinterließen sie Frauen und Kinder, Mütter und Väter, Brüder und Schwestern, die mit echter Ergriffenheit trauerten, weinten, sich die Haare rauften und schrille Schreie des Schmerzes ausstießen – aber das geschah alles hinter verschlossenen Türen und zugeklappten Fensterläden, gewissermaßen im engsten Familienkreis. Befreundete Ärzte stellten Totenscheine aus, die Herzversagen bestätigten. Das war noch nicht einmal gelogen, denn wer einen Schuß in den Kopf oder ins Herz bekommt, dessen Herz versagt.
    Erschreckend waren nur die Begleitumstände der plötzlichen Todesfälle. Da waren vier sehr vornehme Herren aufgetreten, hatten einige Fragen gestellt und dann den Interviewten mit freundlichem Nicken ins Jenseits befördert. Man konnte gar nichts dagegen tun – und selbst, als man

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