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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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durch die offenen Säulengänge, vorbei an verschwenderisch blühenden Innenhöfen mit wasserspeienden maurischen Brunnen, erreichten sie die Terrasse, von der eine Treppe in den Park führte. Unter einem Sonnensegel aus orangefarbener Seide war ein runder Tisch gedeckt. Silberkannen blitzten in der Sonne. Links und rechts von einer breiten Tür, die ins Innere des Haupthauses führte, standen die beiden Diener in ihrer weißen Livree.
    Als Dr. Volkmar die Terrasse betrat, erhob sich aus dem Sessel am Tisch ein schlanker, mittelgroßer Mann. Sein gelocktes Haar schimmerte in bläulichem Weiß, wie Gletschereis bei Sonnenaufgang. Sonst war an ihm nichts Auffälliges. Er trug eine einfache weiße Hose, weiße Lederschuhe, ein weißes Hemd mit breiten, mattroten Streifen, die Hemdsärmel bis zu den Ellenbogen hochgerollt, die oberen drei Knöpfe offen. Auf dem schon weiß werdenden Brusthaar lag an einer goldenen Kette ein Medaillon mit eingelassenen Rubinen. Anders als die meisten italienischen Reichen trug er an den Fingern keinen Brillantring, auch kein Goldkettchen um das Handgelenk; die Hände waren nackt für südländische Begriffe. Es nahm sich aus wie eine Demonstration der Unauffälligkeit und der Bescheidenheit … Und das in dieser Umgebung.
    Dr. Eugenio Soriano.
    Mit federnden Schritten kam er Dr. Volkmar entgegen und streckte beide Arme nach ihm aus, als müsse er einen Bruder umarmen, der aus weiter Ferne heimgefunden hat.
    »Willkommen!« rief er, und es klang ehrlich. »Verzeihen Sie, daß ich nicht Deutsch, sondern meine Muttersprache spreche. Mein Deutsch ist miserabel für ein deutsches Ohr. Aber ich weiß, Sie sprechen Italienisch sehr gut.« Er ergriff Volkmars beide Hände und schüttelte sie. »Ich bin Soriano.«
    »Das habe ich mir fast gedacht.« Dr. Volkmar blickte in den riesigen Park. Über die Mauer ragten die Ruinen von Solunto. Ein Himmel wie Seide; Gallezzo hatte nicht gelogen. Nur die Löwen und die Krokodile störten Volkmar. »Ein Paradies!« sagte er und folgte Soriano an den runden Tisch. Worthlow schenkte bereits den Kaffee ein. »Wie komme ich zu dieser Auszeichnung?«
    »Das werde ich Ihnen gleich erklären. Ich bin ein ehrlicher Mensch.« Es war offenbar kein Sarkasmus, das stellte Volkmar verblüfft fest. »Aber zuerst essen wir! Ich habe für Sie ein kräftiges Frühstück herrichten lassen mit Eiern, Wurst, kaltem Braten, Käse. Ich selber esse lieber leicht. Etwas Käse, ein Stück Brot, viel Obst, vielleicht eine Tomate, dazu einen Espresso. Aber Sie sollen auf Ihr deutsches Frühstück nicht verzichten, lieber Dr. Volkmar.«
    Sie setzten sich, die beiden Türsteher verschwanden im Inneren des Hauses, Worthlow servierte. Stumm, unauffällig, man merkte ihn kaum. Soriano lehnte sich in seinem Sessel zurück und knabberte an einem Käsestück. Volkmar, vom Hunger überwältigt, belegte eine Toastschnitte dick mit kaltem Roastbeef. Soriano schien das zu gefallen.
    »In einer Stunde kommt der Schneider«, sagte Soriano. »Zwei Herrenmodesalons werden Ihnen die nötigsten Dinge bringen, von den Schuhen bis zum Unterhemd. Sie Ärmster haben ja alles verloren.«
    »Es liegt in meinem Zelt am Capo San Marco auf Sardinien. Ich brauche es bloß zu holen.«
    »Sie sind ertrunken, das wissen Sie doch! Es stand in allen Zeitungen. Eine Wasserleiche kann doch nicht plötzlich wieder leben.«
    »Man könnte den Irrtum aufklären.«
    »Aber warum, mein lieber Doktor?! Welche Verwirrung gäbe das!«
    Dr. Volkmar legte seinen Toast auf den Teller zurück. Er schmeckte auf einmal bitter. Eine furchtbare Erkenntnis war ihm in dieser Minute aufgegangen. Sie auszusprechen, verlangte schon Mühe und Überwindung.
    »Sie wollen damit sagen, daß ich für immer tot bin?«
    »Sollen wir Ihre bisherige Welt in Konflikte stürzen?«
    »Ich soll bis an mein Lebensende bei Ihnen wohnen?«
    »Gefällt es Ihnen nicht bei mir? Was fehlt? Sagen Sie es … Es wird sofort beschafft!«
    »Die Freiheit!«
    »Die haben Sie.« Soriano lächelte milde und nippte an seinem Espresso. Er hatte elegante, geradezu zierliche Bewegungen. »Ist der Lebensraum, den ich Ihnen biete, nicht groß genug für einen Menschen? Wer hat draußen so viel Raum, so viel Luxus? Wer kann sich jeden Wunsch erfüllen? Sie können es! Freiheit! Was ist Freiheit?! Es gibt nichts Relativeres als den Begriff Freiheit. Der eine braucht nur ein kleines möbliertes Zimmer, der andere einen ganzen Staat!«
    Mr. Worthlow schenkte wieder Kaffee

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