Das Haus der verlorenen Herzen
Stiefel, mit einer dreizackigen Gabel stießen sie in das Fleisch und warfen die großen Brocken in den See. Das Wasser schäumte auf, gehörnte Körper schnellten in die Luft, Rachen mit mörderisch spitzen Zahnreihen stürzten sich auf das blutige Fleisch und zerhackten es. Knochen knirschten, Reptilienpanzer krachten aneinander, in den vorstehenden Augen funkelte Mordlust. Blut … Blut … Blut …
»Wir verbrauchen jeden Tag zwei Rinder«, sagte Soriano. »Zuerst haben wir Pferdefleisch verfüttert, aber seit Loretta eine so begeisterte Reiterin ist und Pferde geradezu anbetet, sind wir auf Rindfleisch umgestiegen. Das dürfen wir: Steaks ißt sie selber gern!« Soriano lachte gemütlich. Zwei große Krokodile balgten sich um ein Stück Fleisch. Es sah in seiner Art spielerisch aus, aber sie schienen es tödlich ernst zu meinen.
»Sie müssen sich daran gewöhnen, Dottore, daß Papa ein Sarkastiker ist«, sagte Loretta und drückte Volkmars Arm. »Ich mag diese Tiere auch nicht. Ich hasse sie!«
Soriano betrachtete den Kampf der Krokodile wie einen sportlichen Wettkampf. Wenn sie über die blutigen Fleischbrocken herstürzten und sich mit ihren harten, gepanzerten, gezackten Schwänzen gegenseitig aus dem Weg schlugen, wenn ihre schrecklichen langen Mäuler aufklappten und dann zuhackten, zog er ab und zu die Augenbrauen hoch und neigte den Kopf wohlgefällig betrachtend zur Seite. Dr. Volkmar wollte schon bemerken, man habe nun von diesem Schauspiel genug gesehen, als er etwas entdeckte, an dessen Realität er zunächst nicht glauben konnte oder wollte. Sein medizinischer Verstand rebellierte gegen jeden Beschwichtigungsversuch – und doch redete er sich ein: Es ist nicht wahr! Du hast dich geirrt! Dreh den Kopf weg, du hast nichts gesehen. Du hast dich geirrt.
»Nun die Löwen!« hörte er Soriano sagen.
»Muß das sein?« fragte Volkmar zurück. »Ihr Haus bietet schönere Anblicke.«
»Haben Sie ein Raubtier schon einmal richtig betrachtet, Dottore? Diese Kraft, dieser Urinstinkt, diese Gnadenlosigkeit, dieses herrliche Bewußtsein, stark zu sein, stärker als alle anderen, und dank dieser Stärke zu herrschen? Aber wie Sie wollen! Sie sind mein Gast, Sie sollen sich wohl fühlen. Loretta mag Löwen auch nicht. Merkwürdig, wie unähnlich Töchter ihrem Vater sein können. Schon als Kind habe ich mit verwilderten Katzen gespielt, in der Altstadt von Palermo, und ich bin nie gebissen worden. Also: Was schlagen Sie vor, Dottore?«
»Wie wäre es mit Schwimmen?« fragte Loretta. Sie hängte sich wieder in Volkmars Arm. »Ins Wasser kann uns Papa nicht folgen. Er schwimmt nie. Dabei besitzt er die teuerste Jacht von Sizilien! Was ist, wenn er mal ins Meer fällt?«
»Man wird ihn retten!« sagte Volkmar und blickte auf die Stelle, die ihn so aus der Fassung gebracht hatte. »Im Mittelmeer gibt es keine Krokodile …«
Soriano warf einen schnellen Blick auf Volkmar. Nur für eine Sekunde versteinerte sein Gesicht, dann zog wieder das sonnige Lächeln über seinen Mund.
»Also gut – schwimmen Sie mit Loretta. Ich schaue Ihnen gern zu.«
Er ging voraus, sie erreichten die Terrasse, auf der jetzt dick gepolsterte Liegebänke standen. Eine breite Bar war unter die Markise gerollt worden. Mr. Worthlow mixte gerade drei Drinks. Er wußte, was jemand brauchte, der von den Krokodilen kam.
»Ich ziehe mich um«, sagte Loretta und löste sich aus Volkmars Arm.
»Aber Sie haben doch einen zauberhaften Bikini an!« Volkmar half ihr, in das Schleierkleid zu schlüpfen.
»Im Becken ist Meerwasser. Darunter leidet der Goldstoff.«
»Ein sparsames Mädchen!« sagte Soriano, als Loretta im wahrsten Sinne des Wortes, wie es schien, davongeschwebt war. Er nahm Worthlow das Cocktailglas ab und reichte es an Volkmar weiter. »Das hat sie von ihrer Mutter geerbt. Elena-Maria – meine Frau, der Erlöser habe sie selig – stammte aus einer alten Bürgerfamilie von Trapani. Sie trug zehn Jahre lang jeden Sonntag zum Kirchgang den gleichen Kopfschleier, auch als ich schon das Haus hier gebaut hatte. Sie starb vor drei Jahren an Leukämie. Ich habe ihr einen goldenen Sarg machen lassen, wie einem Pharao, und um ihn herum ein Mausoleum aus Carrara-Marmor gebaut. Ich habe sie sehr geliebt. Sie war wie eine Heilige. Loretta hat einiges von ihrer Mutter geerbt.«
»Hoffentlich das meiste von ihr«, sagte Volkmar zweideutig.
Soriano hob die Brauen. »Ich habe den Eindruck – und das betrübt mich –, Sie fühlen sich bei
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