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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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Carol.
    »Rede bloß nicht in Anwesenheit von Yasmin davon. Bitte.« Wie viele Eltern schiebt Bridget ihr Kind als Vorwand für ihre eigenen Gefühle vor. »Es wird sowieso schon schwierig genug werden, auch ohne dass du ihr Flausen in den Kopf setzt.«
    Carol hält inne, aber jetzt lächelt sie. »Stimmt. Und du hast allen Ernstes vor, da hinzuziehen?«
    »Ich weiß nicht. Wirklich nicht. Es wäre – Mensch, ich kann mir nicht einmal ausmalen, was es bedeuten würde, wenn ich den Job bekäme.«
    Carol schenkt Wein nach. »So, wie ich es sehe, wäre es die Lösung für all deine Probleme«, sagt sie. »Kieran, deine Schulden. Dass Yasmin zu einer dieser kleinen Schlampen heranwächst, die draußen vor dem Schnapsladen herumhängen. Ein Neustart. Wie sieht deine Wohnung denn aus?«
    »Fantastisch. Na ja, in jedem Fall wesentlich besser als die hier. Das oberste Geschoss eines Flügels.«
    »Eines Flügels?«
    »Ja. Das Haus hat Flügel. Die Wohnung hat zwei Schlafzimmer. Richtige, große. Und in Yasmins stehen zwei Betten.«
    Sie bemerkt gar nicht, dass sie von den Zimmern spricht, als gehörten sie bereits ihr. Carol dagegen fällt es auf. »Und sie hat ein Wohnzimmer, das zwei Mal so groß ist wie meines. Es ist rundum getäfelt – Nut und Feder, unbehandeltes Holz wie in einem Blockhaus. Riecht nach Kiefer und Sauberkeit. Und die Küche erst! Mensch, Carol, in der Küche kann man essen!«
    »Ich wüsste nicht, was daran so besonders sein soll.« Carol reckt den Kopf nach hinten in Richtung ihrer Küchenzeile, in der das Geschirrtuch an dem Tassenhaken über der Spüle hängt. »Das mache ich jeden Tag. Also, erzähl weiter: Was ist der Haken an der Sache?«
    »Na ja … es liegt völlig abgeschieden.«
    »Herrlich.«
    »Es sind zwei Meilen bis ins Dorf.«
    Die Alarmanlage eines Autos fängt draußen auf der Straße zu heulen an.
    »Ich sehe schon«, stellt Carol trocken fest, »wie sehr du Streatham vermissen wirst.«
    »Und das Dorf ist winzig.«
    »Und welches ist die nächstgelegene Stadt?«
    »Das ist Wadebridge.«
    »Wadebridge ist hübsch. Da war ich oft mit meinen Großeltern. Nicht gerade berühmt für sein Nachtleben, aber es ist hübsch.«
    Bridget stößt einen übertriebenen Seufzer aus und klopft sich auf den Hintern. »Ich habe meine Discojahre längst hinter mir.«
    »Ach, ich bin mir sicher, dass du ein entzückendes Nähkränzchen finden wirst.«
    »Klar«, antwortet Bridget. »Hältst du das etwa für spaßig?«
    »Ich bin mir sicher, dass im Gemeindehaus Discoabende stattfinden. Vielleicht lernst du dort ja einen netten Bauern kennen.« Bridget lacht.
    Unten wird ein Fenster hochgeschoben. »Schaltet endlich dieses verdammte Ding aus!«, brüllt eine Stimme über die menschenleere Straße. »Schaltet es ab, verdammt!«
    Die Blicke der beiden Frauen treffen sich.
    »Ich weiß gar nicht, wie du einen Wegzug überhaupt in Erwägung ziehen kannst.«
    »Ich weiß.« Sie lacht wieder, obwohl ihr Tränen in die Augen steigen. »Der Glamour. Der Spaß. Das wilde Gesellschaftsleben. Übrigens. Kannst du mir bis Freitag einen Zehner vorschießen? Meine Stromkarte ist abgelaufen, und ich habe mein ganzes Bargeld für Benzin ausgegeben.«
    Carol äfft Margaret Thatcher gekonnt nach. »Das Problem mit diesen Leuten«, sagt sie, »ist, dass sie keine Ahnung vom Umgang mit Geld haben. Baked Beans kosten beim Discounter nur 13 Pence. Du hättest dir einen Vorrat für den Winter anlegen sollen wie die Eichhörnchen.«
    »Himmelherrgott«, entgegnet Bridget. »Als ob sich meine Probleme dadurch lösen ließen, dass ich mich von Bohnen ernähre.« Sie trinken wieder einen Schluck. »Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn ich den Job nicht kriege«, sagt sie.
    »Ich weiß«, antwortet Carol. »Ich weiß.«

6
    Die Statuetten wollen einfach nicht an ihrem Platz stehen bleiben.
    Seit das Haus an Feriengäste vermietet wird, gibt es hier nur noch drei dieser Figürchen. Die Familie wollte eigentlich gar nichts aufstellen, was so leicht in eine Tasche passt, aber die Agentur hat ihnen klargemacht, dass die Art von Mietern, die sich lieber für Herrenhäuser in Cornwall als für Ferienwohnungen oder Villen in Spanien entscheiden, meist enttäuscht sind, wenn diesen Häusern die Nippsachen fehlen, so wie sie immer ein altes Metallbettgestell einer modernen, keimfreien Bettcouch vorziehen. Selbst Amerikaner geben sich mit antiquierten Nasszellen zufrieden, wenn sie im ganzen Haus genügend angeschlagene Meißener

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